Geschlafen haben wir letzte Nacht wie die Steine, obwohl es eine Zeit lang doch recht laut war draußen. Ist die zentrale Lage einerseits ein toller Vorteil, weil alles quasi gleich ums Eck liegt und zu Fuß erreichbar ist, so ist der Nachteil an einem Quartier mitten in der Stadt, dass manche feiernden Menschen erst seeeehr spät – oder früh? – müde werden und die gesamte Umgebung an ihrer guten Laune teilhaben lassen. Tja, wo Licht, da auch Schatten…
Den Vorsatz, vor dem Frühstück Laufen zu gehen, setzen wir nicht in die Tat um, da wir vom vielen Hatschen gestern eh noch fußmarod sind. Unsere Geschwindigkeit beim anschließenden Gang um Frühstück wird also nicht so sehr von sportlichem Ehrgeiz als mehr oder weniger gänzlich von Hunger bestimmt.
Wir finden es ziemlich erstaunlich, dass hier in der Innenstadt morgens alles zu hat. Nicht nur die Cafés, selbst Bäckereien und so. Wir grübeln schon, ob wir womöglich auch die Starbucks Öffnungszeit gestern falsch verstanden.
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Amsterdam, Jordaan Viertel |
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Amsterdam, Jordaan Viertel |
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Amsterdam, Anslos Hofje |
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Wenige Minuten später wissen wir: haben wir nicht! Starbucks hat tapfer offen und wird auch von anderen Frühstückshungrigen frequentiert. Wir bestellen Cappuccino, Green Tea Latte, Joghurt mit Granola und eine Breakfast Roll. Alles hat genau die richtige Menge für uns, nicht zu viel und es schmeckt frisch und gut. Der Platz könnte ein klein wenig lauschiger sein, aber es ist auch so ganz OK.
Am Retourweg zu unserem B&B haben wir die kurze Überlegung, ob wir uns morgen vielleicht Frühstück im Café Americain gönnen wollen. In der Brasserie des zugehörigen, für sein Jugendstil Dekor berühmten Hotel American, welche sich selbst als Wohnzimmer Amsterdams bezeichnet, hätten wir sicher ein ganz großartiges Ambiente. Da es am Weg liegt, treten wir durch die Türe und fragen nach.
Ja, man sperrt hier schon um 7:00 Uhr auf, was gut für uns passen würde. Allerdings bietet man nichts á la carte sondern nur ein Buffet um €19.-, was mengenmäßig zu viel und daher auch zu teuer für unseren Geschmack ist. Zum Frühstück wird uns das Café also nicht sehen.
So, nun flugs unsere Sachen aus dem Zimmer geholt und los geht‘s, Hofjes ansehen. Diese Innenhöfe liegen meist versteckt und von außen gar nicht sichtbar, da sie von schönen Wohngebäuden umgeben sind.
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Amsterdam, Karthuizerhof |
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Die ersten Hofjes wurden bereits im 12. Jahrhundert erbaut und waren ursprünglich der Platz, an dem die weiße Leinenwäsche zum Bleichen und Trocknen ausgelegt wurde. Später wurden diese Bleichplätze zu Gärten umgewandelt, in denen Blumen und Gemüse gepflanzt wurden. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert waren es zuerst die Beginen, die sich hier um die Armen und Verlassenen kümmerten, so kam die christliche Nächstenliebe später sozusagen in Mode.
Reiche Bürger und Händler errichteten Wohnstätten für die ärmere Bevölkerungsschicht oder die Alten und stifteten diese. Meist trugen die Stiftungen den Namen des Erbauers, sodass man durchaus eine gewisse Eigennützigkeit in Sachen Werbung unterstellen könnte. 51 solcher Hofjes gab es zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert in Amsterdam. Im Jordaan, dem einstigen Elendsviertel von Amsterdam, wo der Grund billiger war als anderswo in der Stadt, standen mehr als die Hälfte davon und heutzutage sollen es immer noch stattliche 19 sein.
Amsterdam schläft um diese frühe Morgenstunde noch und der Jordaan mutet wie ein Dorf aus früheren Tagen an. Stille, gepflasterte Straßen, duftende Rosen, hohe Stockrosen, liebevoll dekorierte Hausbankerln. Die Sonne scheint auf die Backsteinfassaden mit den weiß umrandeten Fenstern. So idyllisch, dass einem das Herz übergehen mag und das Auge sowieso.
Der erste Hof, den wir besuchen wollen und der zugleich der mit Ausnahme des Beginenhofs älteste noch bestehende, ist Sint Andries. Oder besser gesagt wäre es, denn der Hof ist bumm-fest zu. Na, macht nichts, es gibt ja glücklicherweise noch mehr, die hoffentlich keine Sonntagsruhe haben. Verständnis haben wir aber jedenfalls, denn die Innenhöfe befinden sich in privaten Wohngebäuden und die Bewohner wollen irgendwann halt auch ihre Ruhe vor Besucher:innen haben.
Die anderen Hofjes, die wir nun reihum besuchen, sind allesamt wirklich allerliebst. Liebevoll gestaltete kleine oder auch etwas größere Oasen mit blühenden Sträuchern, Blumen, Statuen, kleinen Stillleben.
In einem der Höfe leben ganz viele Katzen, die allesamt gepflegt, wohlgenährt und glücklich aussehen. Irgendwo dringt Klaviermusik aus einem offenen Fenster und macht Karins Vorstellung von einem romantischen Sonntagmorgen in einer gerade erst erwachenden Stadt perfekt. SEUFZ!
Liebe kleine Läden gibt es auch hie und da in dem Viertel. Obwohl eigentlich eher weniger, da es ja eine fast reine Wohngegend ist. Wir kommen an der OBA-Bibliothek vorbei und dem sehr bemerkenswerten Mäusehaus. Die Bibliothek hätten wir ohne dieses wohl gar nicht bemerkt.
In einem Zimmer im Erdgeschoss mit Auslagen auf die Straße ist also das Mäusehaus untergebracht. Es sieht aus wie eine Märchen- oder Grottenbahn oder auch wie ein Puppenhaus – aber alles für Mäuse. Die Bibliothek hat heute geschlossen, aber wir und andere Touristen drücken uns die Nasen an den Auslagen platt. Da hat jemand wirklich eine ganz besondere Liebe zum Detail!
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Amsterdam, The Mouse Mansion |
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Amsterdam, Brouwersgracht |
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Später lesen wir über das Mäusehaus und seine Schöpferin, die Autorin Karina Schaapman, etwas nach. Als Tochter einer alleinerziehenden, aus Indonesien stammenden Mutter, hatte Karina Schaapman, die 1960 geboren ist, ein äußerst bewegtes Leben.
Quasi als Gegenpol zu den nicht so idealen Verhältnissen ihrer Kindheit und Jugendjahren, hat Karina Schaapman die Mäusegeschichten von Sam & Julia ersonnen und das Haus in 3-jähriger Arbeit für die Illustration ihrer Kinderbücher geschaffen.
Über 100 Zimmer hat das Mäusehaus, mit ganz vielen Einzelheiten, von denen viele auch einen Bezug zu Erlebtem von Frau Schaapman haben. Zum Mäusehaus gibt es mittlerweile nicht nur die erwähnten Kinderbücher, sondern auch eine eigene Webseite, eine Facebook-Seite und sogar einen eigenen Youtube-Kanal.
Nach den Hofjes und deren Umgebung marschieren wir nun zur Central Station um dort mit einer kostenlosen Fähre das IJ zu überqueren, damit wir das Filmmuseum und den A'dam Lookout Tower besuchen können.
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Amsterdam, Amsterdam Centraal |
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Amsterdam, EYE Filmmuseum |
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Das IJ (ja, man schreibt wirklich beide Buchstaben groß, da dieser sogenannte Digraph im Niederländischen als ein einziger Buchstabe aufgefasst wird) war einmal ein Meeresarm der Zuiderzee. Heute ist er nicht nur vom Meer getrennt, sondern trennt seinerseits die Innenstadt von Amsterdam Nord. Die Fähre ist übrigens nur für Fußgänger und Fahrräder benutzbar.
Drüben angekommen gehen wir erstmal zum Filmmuseum. Allerdings enttäuscht uns dieses sehr! Zwar ist es grundsätzlich in der IAMsterdam Card inkludiert, jedoch gibt es nichts zu sehen, da für jede Ausstellung Zusatzkosten verlangt werden. Das erfahren wir auch erst, nachdem wir in der recht langen Schlange angestanden haben, in die man uns auch für „only a simple question” beschieden hat. Kein besonders gutes Service , da sind wir auch gleich wieder draußen.
Dafür ist der A'dam Lookout Tower sehr gut organisiert. Auch hier gibt es trotz IAMsterdam Card Zusatzkosten, aber man steht nicht an, kann gleich 2 Mal zu Besuch kommen (z.B. auch am Abend noch einmal) und hat eine online Version von so Lustbarkeitsfotos inkludiert.
Man könnte auch ganz oben die „Swing over the Edge” um zusätzliche €15,- benutzen, aber da muss man sich anstellen und außerdem das Pritzeln auf den Fußsohlen mögen, das man vor Angst bekommt, während man auf der elektrisch betriebenen Schaukel sitzend über den Rand des Turmes schwingt.
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Amsterdam, Adam Lookout Tower |
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Wir gehen eine Runde ums Aussichtsdeck, wobei es uns fast die Haare vom Kopf weht und dann nach innen und einen Stock tiefer. Hier im Café bestellen wir 2 Cappuccino bei einem Kellner, dessen wirklich dämlicher Schmäh ihn schon fast am Watschenbaum rütteln lässt. So tut er anfangs so, als hätten wir gar nicht bestellt, dafür gibt er am Ende vor, wir hätten nicht bezahlt. Scherzbold!
Auch unsere Mittagspause verbringen wir anschließend in einem Lokal hier herüben. Das Restaurant ist äußerst geräumig, man scheint sich hier wirklich auf anstürmende Massen eingerichtet zu haben. Von der Speisekarte wählen wir Flammkuchen und Bier.
Die kurz darauf servierten Flammkuchen sind wirklich hauchdünn und schmecken uns gut. Nachdem wir uns gelabt und auch gezahlt haben, nehmen wir die Fähre wieder zurück. Unter den Mitfahrenden ist auch ein junger Mann, der ein Surfboard auf den Rücken geschnallt hat und damit auf dem Fahrrad fährt. Sportlich zum Quadrat.
Alexander bekommt im IAMsterdam-Shop in der Centraal Station einen dicken, roten Amsterdam-Sweater, da ihm wegen des Windes doch recht huschi geworden ist.
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Museum Amstelkring |
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So gewappnet geht es wieder hinein in die Altstadt. Wir besuchen Unseren lieben Herrn am Dachboden, weil wir dieses Museum noch vom letzten A’dam Aufenthalt in so guter und netter Erinnerung haben. Mittlerweile ist die etwas kuriose Stätte nicht mehr so ein Geheimtipp. Das Portal des Museums wurde richtig „aufgemotzt”, sodass wir es kaum erkannt hätten und fast daran vorbeigelaufen wären. Trotzdem ist es glücklicherweise immer noch nicht so überrannt wie manch anderes Museum.
Treppauf, treppab folgen wir dem Weg durch drei miteinander verbundene Grachtenhäuser aus dem sogenannten Goldenen Zeitalter. Ein reicher Katholik namens Jan Hartmann hatte die Häuser im 17. Jahrhundert gekauft und die obersten Stockwerke miteinander verbinden und in dem so entstandenen großen Dachboden eine komplette Kirche unterbringen lassen.
Dies war zu einer Zeit, als die Protestanten die Macht in Amsterdam übernommen hatten und die Kirchen ausschließlich protestantischen Gottesdiensten vorbehalten waren. Die rund 20 Prozent Katholiken mussten ihre Gottesdienste an anderen, heimlichen Orten abhalten.
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Museum Amstelkring |
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Obwohl die Stadtverwaltung von der Dachbodenkirche sehr wohl Kenntnis hatte, wurde diese doch geduldet. So, wie fast jede Geisteshaltung oder Glaubensrichtung, die es damals in Amsterdam gab. Ein Beispiel, dass bereits im 17. Jahrhundert große religiöse Toleranz in den Niederlanden herrschte.
Nach dem Dachbodenklettern stärken wir uns bei Kaffee und Mandelkuchen in der Koffieschenkerij de Oude Kerk. Sehr idyllisch schmiegt sich das kleine Café mit seinem Gastgarten, in dem Rosen und Kräuter wachsen, an die Kirchenmauern. Das Service ist jung, Essen und Trinken bio und gut.
Im Anschluss gehen wir zum Rembrandtplein, um die Nachtwache zu fotografieren. Früher war dieser Platz der Buttermarkt von Amsterdam. 1852 wurde dann eine Statue von Rembrandt hier aufgestellt und im Beisein von König Wilhelm III. enthüllt, was 24 Jahre später zu einer Umbenennung in Rembrandtplein führte. Zu Rembrandts 400en Jahrestag wurden dann auch noch mehrere Bronzestatuen platziert, welche das berühmte Gemälde „Die Nachtwache” repräsentieren.
Gerade, als wir uns den besten Platz zum Ablichten suchen wollen, werden wir sozusagen vertrieben. Ein paar Streetdancer stecken ihr Revier mit Absperrbändern ab, hinter denen sich mehr und mehr Menschen versammeln. Wir schauen kurz zu, finden aber nicht, dass wir unbedingt zum Zielpublikum gehören.
Karin, die gemeint hat mit Layering gegen den Wind anzukommen, ist mittlerweile auch huschi. Also machen wir uns auf die Suche nach einer Sommerdaunenjacke, Geschäfte, die grundsätzlich solche Sachen führen, gibt es hier ja genügend. Bei Northface gibt es in kleiner Größe nur mehr eine Jacke in einem glänzenden Graugrün, was gar nicht gefällt.
Der Outdoor-Austatter Beaver hat sowohl ein Herren- als auch ein Damengeschäft. Auch hier finden wir die Farben „komisch”, außerdem sind die Modelle für unser Empfinden recht teuer. Dann besuchen wir Perry Sport, wo wir genau das Richtige finden: dunkelblau, Größe 36 und nur €150,-. Passt, wackelt, hat Luft – selbige natürlich als Wärme isolierende Schicht.
Gut gegen den kühlen Wind geschützt gehen wir nun zurück in unser B&B. Wir haben uns vorgenommen, ein Nachmittagsschlaferl zu halten, damit wir am Abend ausgeruht mit dem Stativ wieder losziehen. Wir wollen Nachtaufnahmen von der Nachtwache und der magere Brug machen.
Das Schlaferl ist wirklich mehr als notwendig, denn wir sind beide tot vom Rumlaufen. Kaum hingelegt sind wir auch schon tief und fest eingeschlafen. Als wir wieder munter werden, ziehen wir uns schön warm an, packen unsere Fotosachen samt Stativ und marschieren gleich zur Brücke. Es ist aber noch viel zu hell für Nachtaufnahmen!
Der stets gut ausgerüstete Alexander checkt mittels App auf seinem Handy, wann denn die blaue Stunde hier beginnt und so kommen wir drauf, dass wir viel zu früh unterwegs sind und es noch Stunden dauert, bis die Dämmerung hier anbricht.
Auch gut, dann können wir ja ganz entspannt etwas zum Essen suchen in der Nähe unseres Fotomotives. Wir müssen auch gar nicht lange herum laufen, denn nur ein paar Straßenecken weiter entdecken wir ein Indonesisches Lokal, und kehren auf eine Reistafel ein. Wer in den Niederlanden unterwegs ist und asiatische Küche mag, für den ist dieses Festbankett einfach ein Muss! Witzig ist, dass die Indonesische Reistafel in Indonesien eigentlich unbekannt war und von den Holländern während deren Kolonialherrschaft dort eingeführt und später nach Holland importiert wurde. Die Reistafel (holländisch Rijstafel) gilt nun hüben wie drüben als Kronjuwel der nationalen Küche.
Das Restaurant Soenda Kelapa ist kleiner und sehr persönlich geführt. Man fühlt sich gleich willkommen in der authentischen Atmosphäre. Da wir zwar gerne gut essen, jedoch Völlegefühl oder Stehenlassen nicht mögen, bestellen wir eine Reistafel für nur eine Person und teilen. Dazu ½ Liter Hauswein weiß, der sich als sehr guter Chardonnay herausstellt und ein großes Mineralwasser.
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Amsterdam, vom Balkon des Tulipa Amsterdam |
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Die Reistafel besteht aus zig kleinen Schälchen mit den verschiedensten Curries und Köstlichekeiten. Soooooo gut! Wie 1 Person das alles alleine essen sollte ist uns jedoch schleierhaft, denn wir werden zu zweit mehr als satt. Man kann schon fast sagen: „Nur die Gier drückt’s runter”. Mit erfreutem Gaumen und vollem Bäuchlein verlassen wir die gastliche Stätte kurz nach 21:00 wieder und machen uns nun auf den Weg zu unseren Fotomotiven.
Am Rembrandtplein bei der Nachtwache ist es immer noch recht hell. 21:29 Uhr und man sieht die Strahlen der untergehenden Sonne, welche immer noch die Hausmauern hinter der Nachtwache erleuchten. Ja, die nördlichen Sommernächte sind hell.
Gegen 22:30 wird es dann langsam wirklich dämmrig, die blaue Stunde hat eingesetzt. Das Stativ ist gut positioniert und Alexander macht schöne Aufnahmen von der magere Brug, die sich beleuchtet im Wasser spiegelt. Hach, eine richtige Postkartenansicht ist das!
Über die Herengracht, wo es ebenfalls beleuchtete, sich im Wasser spiegelnde Brücken gibt, schlendern wir langsam zurück in unsere Herberge. Kurz vor Mitternacht fallen wir glückl ich und zufrieden in unsere Betten. Was für ein schöner und ereignisreicher Tag. Gute Nacht Amsterdam! Gute Nacht, John-Boy! Gute Nacht Jim-Bob! Gute Nacht Karin, gute Nacht Alexander!