Nach einer ein klein wenig unruhigen Nacht - die Klimaanlage bläst entweder eiskalt oder man wacht schweißgebadet auf - wachen wir am Morgen zum Bimmeln der Andacht im Hindu-Tempel schräg vis-a-vis auf.
Trotz des üppigen Essens am Vorabend freuen wir uns schon aufs Frühstück. Zumindest den Knoblauchgeschmack möchten wir wieder loswerden. Im großen Speisesaal sind wir fast die einzigen Gäste und werden auch heute zuvorkommend bedient.
Hätten wir gewettet, so hätte Alexander die Wette gewonnen als er gestern meinte, dass all die vielen Behälter am Buffet gefüllt würden. So ist es! Karin wählt heute Pancakes und Bananen während Alexander ein Omelette verspeist.
Gadsisar See |
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Pünktlich um 08:30 Uhr treffen wir unseren Guide in der Lobby. Mogli, ein Brahmane wie wir am roten Tika auf seiner Stirn erkennen, wird uns durch den heutigen Tag begleiten.
Wir beginnen unsere Besichtigung der goldenen Stadt, deren Mauern und Häuser aus Sandstein in der Morgensonne wirklich diesen Farbton annehmen, am Gadsisar-See. Dieser künstliche See, der nur nach einem ausgiebigen Monsun ordentlich gefüllt ist, diente einst als Wasserreservoir für die Stadt.
Heute ist dies nicht mehr nötig, da die Häuser mittlerweile von einer Wasserleitung versorgt werden. Der Anblick der steinernen Pavilliontürmchen, die hier mitten aus dem Wasser ragen, hat etwas sehr Idyllisches an sich.
Mogli erzählt uns, dass das Tor, an dem einige bunte Boote vertäut sind, von einer Kurtisane in nur einer Nacht erbaut wurde. Sie tat dies gegen den Willen und ohne Erlaubnis des Maharadjas. Er und seine Familie mussten fortan in einem großen Bogen zum See gehen, da das Durchschreiten des Kurtisanen-Tores einer Erniedrigung gleichkäme. Tja fremde Länder, fremde Sitten!
Karin betritt einen Hindu-Tempel und hört sich einige Minuten das Mantra an, das gleichmäßig rezitiert wird und einen fast in Trance versetzt. „Om Namah Shivaya” wird der Gott Shiva angerufen und heuer hat er die Gläubigen auch schon erhört und nach vier Jahren endlich wieder einmal reichlich Regen geschickt. In einigen Landstrichen leider sogar mehr, als der Bevölkerung lieb war.
Die Flut hat einiges an Verwüstung hinterlassen und auch Menschenleben gekostet. Shiva bringt eben nicht nur Glück und Regen, sondern er ist auch der Gott, der in seinem Tanz zerstört.
Am Fuße des Tempels bewegt sich das Wasser so heftig, dass es fast zu kochen scheint. Hier wurlt es nur so von Welsen, die wegen ihrer Barten auch Katzenfische genannt werden. Diese Fische gelten ebenfalls als heilig und werden von den Gläubigen gefüttert. Gegessen dürfen sie ebenso wenig werden wie die heiligen Kühe.
Von einer Anhöhe über dem Friedhof haben wir einen guten Blick auf die Festung. Ein, zwei Fotos und wir machen uns auf den Weg, sie näher zu erkunden.
Jaisalmer Fort |
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Das Fort von Jaisalmer ist schon von Weitem sichtbar, da es auf 3 ca. 100 m hohen Hügeln liegt und die Ebene dominiert. Der älteste Teil wurde 1156 von Rao Jaisal aus dem Geschlecht der Bhatti auf diesem strategisch günstigen Standpunkt gegründet.
Die Rajputen-Familie der Bhattis war sehr reich, jedoch war die Quelle ihres Vermögens recht unrühmlich. Sie waren sozusagen Raubritter der Wüste und überfielen und bestahlen Karawanen. Dummerweise vergriffen sie sich im 14. Jh. an der Karawane des Sultans von Delhi, worauf dieser ihre Siedlung dem Erdboden gleich machte.
Im 16. Jh. hat sich die Familie dann dem moderneren Raubrittertum zugewandt und ging unter die immerhin friedlichen Händler. Mit dem Aufstieg Bombays als Handelszentrum versank die Goldene Stadt schließlich in Vergessenheit und wurde erst durch den Tourismus wieder belebt.
Nichts desto trotz ist Jaisalmer ein wahr gewordener Traum aus einem orientalischen Märchen. Das Fort gleicht einem lebendigen Museum, da hier rund 2000 Brahmanen und Rajputen leben, arbeiten und wohnen.
Der Verkehr bleibt größtenteils außerhalb der 99 Bastionen und nur hin und wieder fährt ein Moped durch die verwinkelten Gassen. Durch das Fehlen der Motorengeräusche und das bunte Treiben auf den Strassen wird der Eindruck, sich in einer mittelalterlichen Stadt zur befinden, noch verstärkt.
Gut kann man sich vorstellen, wie hier einst Gewürze, Seide, Silber und andere exotische Kostbarkeiten, welche die Karawanen aus der unendlichen Wüste brachten, gehandelt wurden. Auch heute sieht man viel an bunten Tüchern und Teppichen, reich verziert mit Stickereien und Spiegeln, Silberarbeiten und Kleinodien aus Kamelknochen.
Der wahre Wert sei dahin gestellt. Und über allem liegt ein Duft aus Sandelholz und Gewürzen, hin und wieder etwas durchdrungen vom Kuhdung, der hier ebenfalls nicht fehlt.
Moglis forscher Schritt wird fröhlich von seinen Gesängen begleitet und wir folgen. Jedoch bremsen wir ihn immer wieder ein, da wir dringend dort und da und hier auch noch ein Foto schießen müssen.
Unser erster Halt gilt einem Doppel-Tempel der Jainas. Anders als in Bikaner, ist das Innere dieser Andachtsstätte hier über und über mit Steinmetzarbeiten dekoriert.
Etwas amüsiert uns, dass sich die anwesenden Priester von der aufgestellten Tafel „Please do not give money to the Holy men but donate in the box for restoration” ziemlich unbeeindruckt zeigen und uns unbedingt noch die 398. Statue zum Fotografieren zeigen wollen.
Jaisalmer Fort |
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Jaisalmer Fort |
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Nach ausgiebiger Bewunderung und natürlich einer Spende für auch die 399. Statue, verlassen wir die beiden Tempel und marschieren hinter Mogli und einigen heiligen Kühen, die gerade weniger heilig ihre Notdurft als Hürdenlauf vor unseren Füßen hinterlassen, ins Rajputen-Viertel.
Hier betreten wir ein kleines Hotel namens Killa Bhawan, welches vor einiger Zeit von einem Franzosen gekauft und sorgfältig restauriert wurde.
Wir klettern in eine Art Salon im 1. Stock und bleiben mit offenem Mund stehen. Vor einem Erkerfenster sind pinkfarbene Seidenkissen drapiert und laden ein, sich niederzulassen und den atemberaubenden Blick auf die Stadt zu genießen.
Jaisalmer Fort |
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Raj Mahal |
Auch wir tun dies gerne bei einer Tasse indischen Tees und freundlichem Geplauder mit dem Hotelmanager. Die Zimmer sind - soweit wir dies durch die eine oder andere offene Türe erspähen - mit den hier typischen niedrigen Flechtbetten ausgestattet und das steinerne Gemeinschaftsbad, welches wir später aufsuchen, ist sehr sauber.
Wer eine authentische Bleibe mit viel urpsrünglichem Charme in Jaisalmer sucht, dem können wir das Hotel Killa Bhawan guten Gewissens empfehlen.
Weiter geht's nun durch die Unterstadt. Hier sind motorisierte Vehikel erlaubt und so lassen wir uns von den Menschen zwischen hupenden Tuktuks, trötenden Mopeds und klingelnden Fahrrädern hindurch schieben.
In einer Gasse müssen wir umkehren und einen anderen Weg nehmen. Hier ist nämlich vor 3 Tagen ein Haus eingestürzt und daher eine unpassierbare Baustelle. Na hoffentlich halten die übrigen Häuser zumindest noch solange wir hier durchgehen wollen.
Wir überqueren einen Obst- und Gemüsemarkt, wo nur Frauen an den diversen Ständen verkaufen. Ihre Saris wetteifern mit den Waren an Farbenpracht.
Enge Gässchen in der Unterstadt |
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Immer wieder macht uns Mogli auf schön verzierte Sandsteinhäuser aufmerksam. Gut dass die Stadt darauf achtet, auch bei Renovierungen oder Neubauten den Stil beizubehalten. So bleibt das einheitliche Bild der Goldenen Stadt gewahrt.
Bald erreichen wir ein Haveli im Privatbesitz einer Familie, dessen Äußeres schon sehr interessant ist. Einst wurde dieses Haus von zwei Brüdern im Wettstreit erbaut. Der eine baute die linke, der andere die rechte Gebäudehälfte.
So kommt es, dass der erste Eindruck zwar ein einheitlicher ist, man bei näherem Betrachten jedoch diverse Unterschiede feststellen kann.
Es sind z.B. unterschiedliche Muster zu sehen oder rechts ein einfaches Bogenfenster während es links dreifach geteilt ist. Gewonnen hat übrigens der Bruder der linken Haushälfte, da dieses noch um eine Kleinigkeit detailreicher ausgearbeitet ist.
Der Nachfahre des Bauherren in der 7. Generation führt uns in das Innere des Havelis. Zu besichtigen gibt es derzeit einen Raum, welcher für gemeinschaftliche Zusammenkünfte, Tanz und Repräsentation genutzt wurde.
Selbiges wird uns wortreich erklärt. Auch einige Bildnisse ausländischer Monarchen zieren die bemalten Wände. Darunter auch Franz Josef und Sissi, zu welchen man uns begeistert schleppt, kaum hat man Austria auf die obligatorische Frage „Which country?” vernommen.
Franz Josef ist ja unschwer an seinem eigenwilligen Bart zu erkennen aber ob das Sissi ist? Wenn ja, dann hängt hier wohl ein äußerst seltenes Konterfei unserer Kaiserin. Vom Haveli gibt es noch nicht mehr zu sehen, dafür sollen wir doch die Ausstellungsgegenstände bitte betrachten und falls wir etwas haben wollen, einfach nur fragen.
Im Klartext: man bietet uns den üblichen Souvenir-Krimskrams zu leicht überteuerten Preisen an, um die hohen Restaurationskosten reinzukriegen, die der Eintritt ja keinesfalls deckt.
Prinzipiell verstehen wir dieses Vorgehen schon, wenn aber die Erklärungen nur 10 Minuten dauern, dann darf man sich auch nicht erwarten, dass wir uns die „Ausstellungsgegenstände” länger als 5 Minuten ansehen werden. Sonst verkommt dies alles zu einer reinen Verkaufsveranstaltung und die haben wir nicht gebucht.
Als ob Mogli das geahnt hätte, entschuldigt er sich auf der Strasse für die Verkaufsstände bei uns, aber ohne diese, würde man uns das Haveli gar nicht zeigen.
Nur einige Wegbiegungen weiter finden wir noch ein prunkvolles Haveli vor. Hier hat ein Vater für seine 5 Söhne 5 Häuser nebeneinander bauen lassen, so dass es aussieht wie eine ganze Strasse.
Sowohl außen wie innen gibt es schöne Steinmetzarbeiten zu bewundern. Interessant ist auch, dass dies die einzigen Gebäude der Stadt sind, welche 2 Kellergeschosse besitzen. Sie wurden benutzt, um Güter zu lagern, welche die Karawanen aus der Wüste mitbrachten.
Die Familie dieser 5 Havelis wurde durch den Handel mit Waren aus fremden Ländern reich, da Jaisalmer günstig an einer der Karawanenrouten gelegen war.
Durch ihren Reichtum konnten sie sich so große Häuser leisten, dass sie die Möglichkeit hatten, den Haustempel in der einen Hälfte des Hauses zu haben, während Küche und Bad in der gegenüberliegenden Hälfte waren. Einer normalen Familie, die nur einen großen Raum bewohnt, war so ein Luxus natürlich nicht möglich.
In einem Innenhof befindet sich das obligate Geschäft für die Spezialitäten der Stadt bzw. Region. In Jaisalmer sind es Textilien, die nach Art der Rajputen mit Spiegelchen verziert sind, bunte Patchworkdecken und reich bestickte Wandbehänge. Auch Bettwäsche aus alten, seidenen Saris und natürlich Schals jeglicher Qualität werden von der Cooperative angeboten.
Das 5 Söhne Haveli |
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Das 5 Söhne Haveli |
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Wir erstehen einen mit Metallfäden bestickten Wandbehang für unser Schlafzimmer und Karin bekommt einen beidseitig tragbaren Paisley-Schal aus Baumwoll-Seidengemisch in rot und grün.
Der erste Teil unseres heutigen Programmes ist somit abgeschlossen. Wir werden zurück in unser Hotel gebracht, wo wir uns bis am Abend entweder am Pool, bei einer Massage oder am Zimmer ausruhen können. Um 17:15 Uhr werden wir dann für den nächsten Ausflug abgeholt.
Bei Schwimmen, Lesen und einem kleinen Nickerchen im Kühlen vergeht uns die Zeit sehr schnell und wir kommen pünktlich und erfrischt in die Lobby. Mr. Jogindar unser Fahrer wartet schon auf uns, denn wir werden Mogli unterwegs abholen.
während des Kamelritts |
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Es geht jetzt zu einem Kamelritt in die Wüste rund 40 km außerhalb des Stadtgebietes. Bei den Dünen von Sam werden wir auf dem Rücken der Wüstenschiffe den Sonnenuntergang erleben.
Bald sind wir denn auch bei unseren Treibern angelangt, die mit den Tieren schon auf uns warten. Es spricht hier zwar jeder von Kamelen aber eigentlich handelt es sich um Dromedare wie uns der einzelne Höcker am Rücken verrät.
Ein etwas größeres Tier ist für Maharadja Alexander, während Maharani Karin auf das kleinere Weibchen klettert. Beim Aufstehen sollen wir uns nach hinten lehnen hat man uns gesagt, damit wir nicht herunterfallen. Machen wir und eins-zwei sind wir auch schon oben und schaukeln durch Sand und Gestrüpp.
Karins Dromedar ist ziemlich von den Fliegen genervt und kratzt sich entweder mit einem Hinterbein am Bauch oder wirft den Kopf ungehalten hin und her. Beides trägt nicht unbedingt dazu bei, dass die Pseudo-Maharani in dem zu großen Sattel mit den zu langen Steigbügeln weniger herumrutscht.
während des Kamelritts |
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Nach ca. 40 Minuten gemächlicher Gangart sind wir an den Sanddünen angelangt und steigen für eine kurze Fotopause ab. Friedlich ist es hier! Wir ziehen unsere Sandalen aus, stapfen ein wenig barfuß durch den warmen Sand und bewundern das Wellenmuster, das der Wind hier angefertigt hat.
Überall sind Mistkäfer, die aus Sand und Kameldung ihre Pillen drehen. In ganz Ägypten haben wir keine solchen gesehen obwohl der Skarabäus dort doch heilig ist.
Etwas abseits lassen wir uns nieder und schauen zum Horizont. Die Sonne geht hier nicht unter sondern verblasst langsam und taucht die Wüste in zartes Rosarot.
Als das Licht mehr und mehr verglimmt, klettern wir nochmals auf unsere beiden Kamele und überwinden das kurze Stück zu Mogli und Mr. Jogindar, die schon mit dem Auto auf uns warten. Vielen Dank, das war ein besonderes Erlebnis!
Auf dem Retourweg ins Hotel verabschieden wir uns von Mogli und machen uns die Startzeit für den morgigen Tag aus. Erst im Zimmer bemerken wir, was ein zu großer Kamelsattel, zu lange Steigbügel und etwas Angstschweiß so alles anrichten können - Karin ist an einigen Stellen ganz wund gescheuert. Aua!
Nach einer provisorischen medizinischen Erstversorgung klettert sie jammernd ins Bett. Eine Kamelsafari ist wohl nicht die Fortbewegung unserer Wahl für die nächste Zeit. Gute Nacht und bis morgen!