Atitlan See |
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Atitlan See |
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Guten Morgen! Das Gebimmel des Weckers kündigt denselben verlässlich an. Hätten wir den Hähnen vertraut, wären wir schon seit Stunden auf, da diese hier die ganze Nacht gejodelt haben. Kein Verlass auf Biowecker Hahnenschrei.
Huschhusch unter die Dusche, Haare waschen und fertig machen. Alexander übernimmt heute freundlicherweise die Fön-Connection, damit Karin schneller fertig wird. Beim Frühstück sitzen nämlich alle Franzosen, die gestern mit einer großen Reisegruppe in einem ebenso großen Bus angekommen sind. Heute wählen wir für die morgendliche Stärkung zur Abwechslung Früchteplatte und Pancakes - sehr lecker!
Am Zimmer zollt Karin nochmals Tribut an Montezumas Rache (so was gehört bei solchen Fernreisen halt einfach dazu), dann klappen wir die schon gepackten Koffer zu und checken aus.
Süße Maya-Kinder wollen uns am Parkplatz unbedingt kleine Souvenirs verkaufen. Wir bleiben schweren Herzens standhaft. Kinder sollen in die Schule gehen um etwas zu lernen und nicht betteln.
Am Weg bergauf legt Edgar einen Fotostopp für uns ein. Von hier aus hat man einen einmaligen Blick auf den Atitlan-See, der heute in schöner Sonne und bei klarem Wetter zu unseren Füßen liegt. Alexander knipst ausgiebig, während Karin sich überlegt, ob ihre leichte Übelkeit wohl von den Haarnadelkurven kommt oder doch eine unliebsame Begleiterscheinung der noch nicht gänzlich vollzogenen Akklimatisierung ist.
Wir klettern wieder in den Bus und weiter geht's nach Chichicastenango zum bekannten Maya-Markt. Unterwegs dösen wir noch vor uns hin während Peter ein wenig von dem Bevorstehenden erzählt. Viele Warnungen vor Taschendieben hat er für uns parat und dass wir ja nicht zu viel an Gepäck mitnehmen sollen.
Von geschickten kleinen Händen weiß er zu berichten, von geöffneten Reißverschlüssen und unbemerkt geleerten Taschen. Naja, außer ein bisschen Handgeld wollen wir ohnehin nichts mitnehmen und auf die Kameras werden wir gut aufpassen.
Vor der Einfahrt nach Chichicastenango - der Name bedeutet übrigens „Heimat der Chichicaste”, einer Pflanze, die hier überall am Weg wächst und ein wenig wie ein junger Teakbaum aussieht, nur mit blauen Blüten - gibt es eine Kontrolle, ob auch kein Obst, Gemüse oder andere Lebensmittel eingeführt werden.
Die Gegend rund um Chichicastenango ist Agrargebiet und so trachtet man sich vor dem Einschleppen von Schädlingen zu schützen. Hier macht Guatemala, das Land des ewigen Frühlings, seinem Namen alle Ehre: Pfirsich- und Apfelbäume stehen in voller Blüte und überall sind fruchtbare Felder zu sehen.
In Chichicastenango angekommen, parken wir auf dem Hof eines Cofraden, einem Mitglied der Bruderschaft. Cofradias gibt es zahlreiche in Guatemala und hier in Chichicastenango ist die Bruderschaft des Heiligen Maximón sehr bekannt und berühmt.
Chichicastenango Markt |
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Chichicastenango Markt |
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Insgesamt weist die Gemeinde mehr als ein Dutzend der Bruderschaften auf, die sich um den Erhalt von Traditionen, religiöse Belange aber auch um Aufgaben der Gemeindeverwaltung kümmern.
Mitglieder einer Cofradia - auch Frauen sind übrigens in so genannten Capitanas organisiert - genießen hohes gesellschaftliches Ansehen und bilden eine Art Ältestenrat.
Das Parken erfolgt hier zwar gegen Gebühr, ist aber sicherer, da auch dieser Cofrade von allen respektiert ist und unserem Bus hier sicher nichts passieren wird. Ein WC gibt es auch hier - ebenfalls gegen Gebühr - und alle stellen sich zur Prophylaxe an. Da das Kleingeld in der Gruppe momentan knapp ist, schmeißen wir sozusagen eine Runde für die Mädels (Buben dürfen wieder mal umsonst).
Anschließend gibt es von Peter Orientierungsunterricht und danach 2 Stunden freie Zeit auf dem Markt. Dieser ist denn auch überwältigend. So bunt, dass man meint in Farben zu ertrinken.
Kirche Santo Tomas |
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Es gibt unzählige Standeln, Tische, fast schon kleine Zelte oder einfach nur Tücher am Boden. Geboten wird Gewebtes, Gesticktes, Gestricktes, Geknüpftes, Gezimmertes, Geschustertes, Geschneidertes. Auch Obst, Gemüse und lebendiges Vieh wie beispielsweise Körbe voll Hühner.
An einem Fleck werden rohe und zubereitete Lebensmittel verkauft, die für uns aber wenig appetitlich aussehen und die wir flach atmend rasch passieren.
2 katholische Kirchen befinden sich hier am Markt, die auf ehemaligen Tempelüberresten erbaut wurden. Die bekanntere ist Santo Tomas an der Ostseite der Plaza. 1540 errichteten die Dominikaner das Gotteshaus und die Stufen des Maya-Tempels, die zu ihm hinauf führen, sind Zeichen eines für die Geistlichen schmerzlichen Kompromisses, um die Bevölkerung überhaupt in die Kirche zu bekommen.
Die Treppe ist geweiht und auf ihr brennt stets Feuer auf der Opferstelle für Räucherwerk. Indigena-Frauen sitzen mit Bündeln aus Kräutern und Blumen am Fuße der Treppe, Brujos, welche die Verbindung mit den Göttern herstellen sollen, murmeln ihre Sprüche und gehen den Costumbres, den alten Bräuchen nach.
Auch mitten in der Kirche werden alte Maya-Rituale praktiziert. Im Mittelgang gibt es Vertiefungen im Boden, wo Blumen, Kerzen und Schnaps gemeinsam mit den Bitten dargebracht werden. Wände und Decken sind rußgeschwärzt - allerdings nicht vom letzten Großbrand wie man meinen könnte, sondern von den Opferfeuern, die hier ständig brennen.
Eine ganz eigenartige Stimmung herrscht in dieser Kirche voller Synkretismus, die so gar nichts gemeinsam hat mit den ehrwürdigen Kathedralen, die wir von zu Hause kennen.
Wir schlendern über den Markt, immer wieder von den bunten Farben angezogen, die uns überall entgegen leuchten. Auch unseren Mitreisenden laufen wir des Öfteren über den Weg und tauschen uns über Gesehenes aus.
Trotz all der Verlockungen erstehen wir nur ein paar Dutzend Sorgenpüppchen für die Daheimgebliebenen und für Karin ein wenig später ein paar „Indianer-Espandrilles”. Letztere sind halb Leder halb Stoff und passen erstaunlicherweise wie angegossen. Sind eben handgemachte Schuhe!
Etwas außerhalb des Marktes sehen wir in einer Straße eine hohe Brücke. Wir klettern hinauf aber die Aussicht leider nicht so ur-berauschend wie wir uns erhofft haben. Also wieder zurück ins Gewusel und nochmals alles abgegangen.
Hierhin und dorthin, kreuz und quer. An der Kreuzung vor unserem Treffpunkt-Restaurant sitzt ein Mädchen, das Handies verkauft und alle Klingeltöne dieser Welt schrillen durcheinander. Entsetzlich! Gehen denn die Akkus nicht bald aus?
Es wird langsam warm und wir haben zumindest im Marktgewimmel genügend fotografiert. Alexander ruft unseren Fahrer Edgar an, damit wir unsere Sachen ins Auto legen können. Wir nehmen auch gleich von anderen Gruppenmitgliedern etwas mit, da wir sie unterwegs wieder treffen.
Edgar kann zwar kaum Englisch und wir kaum Spanisch, aber er versteht uns trotzdem und wir sehen ihn schon von Weitem winken. Der Bus steht unbehelligt am Parkplatz des Cofraden und unsere Sachen können wir beruhigt darin versperren.
Zurück am Markt klettern wir die Stufen zum Restaurant in den 1. Stock und lehnen uns erst einmal über den Balkon, um Händler, Marktfrauen und Besucher:innen zu fotografieren. Es ist interessant das rege Treiben von hier oben zu beobachten. Dort schläft jemand im Schatten, da wird Gemüse geputzt, hier die Ware ins beste Licht gerückt.
Die bestellten Getränke und das Essen kommen nur nach und nach, das Service scheint hoffnungslos überfordert. Besonders gut ist es auch nicht, aber es geht so und weil wir höflich sind, knabbern wir zumindest dran herum. Nach dem Mittagsimbiss gehen wir gemeinsam wieder zum Parkplatz, erklimmen den Bus und fahren nach Guatemala City, wo wir die Nacht verbringen werden.
Doch zuerst gilt es wieder den Stau auf der Panamericana zu bewältigen. Zum Glück hat Birgit nach MEZ genau jetzt Geburtstag, was wir mit mehreren Tequila Anejos begießen, unterbrochen von Ständchen (ohje!) und Toasts auf das Geburtstagskind und die gelungene Reise.
Straßenhändler während wir an der Baustelle warten |
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Etliche Tequilas und Lieder später haben wir die Anfahrt glücklich (sehr glücklich!) hinter uns gebracht und das Hotel Best Western in Guatemala City erreicht. Wir verabreden uns zum gemeinsamen Abendessen im Restaurant und gehen uns erst mal frisch machen. Das Zimmer ist ganz ok, jedoch hatten wir schon charmanteres in den letzten Tagen.
Das Hotel hat zwar ein Restaurant, aber nur fürs Frühstück. Abends so wie jetzt oder auch zu anderen Tageszeiten ist das Restaurant geschlossen. Na dann eben nicht.
Wir bummeln ein paar Lokale weiter und finden ein nettes guatemaltekisches Restaurant, wo wir gut zu Abend essen und eine Flasche Sekt leeren. Großzügiger weise lädt Birgit uns alle ein.
Danach gehen wir vis-a-vis in einen Laden mit Drinks und Live Musik. Beides ist soso lala aber wir haben rechten Spaß beim Tanzen und Mitsingen. Gegen 01:00 bringt Alexander Ute und Karin ins Hotel während Arne und Birgit noch bleiben und weiterfeiern. Gu-hu-te Na-hacht!