Sonnenaufgang am Atitlan See |
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Der Wecker läutet und wir stehen gleich auf, da wir ja den Sonnenaufgang über dem Atitlan See erleben wollen. Gerüchten zufolge soll der mindestens genauso schön sein, wie der Sonnenuntergang. Also rein in lange Hosen und Pullis da es doch empfindlich kühl ist jetzt in der Früh. Am See herrscht eine sehr friedliche Stimmung.
Guatemaltekische Wasserwachteln (oder wie immer diese Schwimmvögel auch heißen mögen) schwimmen in Ufernähe und tauchen ab und zu nach Algen für ihr Frühstück, Fischer fahren in ihren Einbäumen auf den See hinaus, Frauen kommen eine nach der anderen, um entweder sich oder ihre Wäsche zu waschen, Hunde streunen herum.
Die Sonne taucht zuerst die Spitzen der Vulkane in rosafarbenes Licht - heute sind sie glücklicherweise nicht von Wolken verhüllt. Langsam rutscht die Beleuchtung nach unten an den Fuß der Vulkane. Ein hübsches, friedvolles Schauspiel, jedoch ohne spektakuläre Motive.
Sonnenaufgang am Atitlan See |
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Sonnenaufgang am Atitlan See |
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Birgit ist heute auch unter den Frühaufstehern und gesellt sich zur Fotosession zu uns. Nach ca. 40 Minuten ist der Zauber des Sonnenaufgangs vorbei und wir gehen zurück auf die Zimmer um zu duschen und vor allem den kollektiven Haarfön zu benutzen und weiterzureichen.
Es gibt hier nämlich nur einen für alle Hotelzimmer und der wird nach Gebrauch unter den Täglich-Haarwäscher:innen weitergereicht. Dank ausgeklügelter Logistik ist das aber kein Problem für uns und bald finden wir uns im Speisesaal bzw. auf der Veranda ein.
Das Frühstück ist hier amerikanisch was bedeutet, dass man zwischen Saft oder Obst, Pancakes oder Eiern mit Speck wählen kann. Wir nehmen Saft und Eier. Letzteres kommt, ersteres nicht . Der Tee ist hier im Gegensatz zu Mexiko Stadt sehr genießbar und auch das Essen schmeckt. Nach dem Frühstück gehen wir noch mal kurz zurück auf unser Zimmer um die Ausrüstung für unseren Ausflug nach Santiago de Atitlan mitzunehmen: Fotorucksäcke (eh klar), Regenjacken und für Karin auch die Jeansjacke wegen eventuell kühlem Wind während Bootsfahrt.
während der Überfahrt |
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Um 08:30 treffen wir uns am Ufer zur Fahrt über den See. Zuerst fährt unser Boot ein Stückchen am Ufer entlang, wo es viele schöne Grundstücke mit netten Villen und tollem Ausblick gibt. Reiche Städter haben sich hier ein Stückchen Paradies geschaffen.
Plötzlich schwebt zarter Nebel über dem Wasser. Es gibt an dieser Stelle heiße Vulkanquellen und als wir unsere Hände ins Wasser halten ist dieses pritschelwarm wie eine Badewanne. Eine Runde Schwimmen wäre hier fein! Doch unser Boot dreht und der Kapitän gibt Gas.
Mit 35 km/h, flatternden Jacken und wehenden Haaren zischen wir über das Wasser. Fein ist dieser kleine Geschwindigkeitsrausch und Karin liebt das „Bootifahren” ohnehin immer und überall. Für die 12 km nach Santiago de Atitlan brauchen etwa eine ½ Stunde, dann legen wir am Bootssteg an.
Gleich kommen uns 2 Frauen in traditioneller Tracht entgegen. Es sind Tzutuhil, die Don Pedro mit seinen Reisegruppen bereits als Kundschaft kennen. Das traditionelle Gewand ist auch wirklich sehr schön und farbenprächtig bestickt. Vor allem das gewickelte Band, das als breite Krempe auf dem Kopf sitzt, ist bemerkenswert.
Es wird Tocoyal genannt und eine Indigena mit diesem „Heiligenschein” ist auf der 25 Centavo-Münze abgebildet. Eine der beiden Damen will sich gleich ausziehen (nicht nackt, nur soweit, dass wir sehen können, wie die Kleidung gewickelt wird) und lässt sich gegen ein paar Quetzales von uns allen fotografieren.
Es folgt ein gemeinsamer Spaziergang durch die Marktstraße von Santiago, die den Hang hinauf führt. Links und rechts ist sie gesäumt von Standeln mit bunten Dingen wie Textilien, Teppichen, Gürteln, Hüten, Schmuck aus Glasperlen etc. In eine Weberei treten wir ein, um dem Weber bei seiner Arbeit ein wenig zuzusehen.
Er freut sich, zeigt uns seine Werkstatt und erklärt uns seinen Webstuhl, den er komplett selbst gezimmert hat. Plötzlich kommt der Großvater aus dem Hinterstübchen. Ein entzückender alter Herr in traditioneller Tracht: eine wadenlange, gestreifte Baumwollhose mit bunter Stickerei, gehalten von einem anders gemustertem Baumwoll-Schal, dazu ein blütenweißes Hemd und ein rabenschwarzes Jackett, auf dem Kopf ein Hut und an den Füßen Ledersandalen. So sieht Großvater sehr fein und Respekt einflößend aus.
Ute und Arne in traditioneller Tracht |
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Ute mit Tocoyal Kopfschmuck |
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Etwas weiter den Berg hinauf liegt das Atelier eines Malers, den Don Pedro als einen „Creativo” bezeichnet. Große, schöne Ölbilder in kräftigen Farben und voller Symbolik hängen an den Wänden. Der Künstler erklärt uns, was er da gemalt hat und was er ausdrücken möchte.
Obwohl er nur Spanisch spricht und wir dieser Sprache leider kaum mächtig sind, kommt soviel rüber, dass wir alle ganz begeistert sind. Der Maler ist übrigens auch sehr bekannt, denn seine Bilder hängen in vielen Museen auf der ganzen Welt - u.a. auch im Louvre in Paris. Leider haben wir uns seinen Namen nicht notiert und so sind es nur seine Werke, die in unserer Erinnerung weiterleben.
Wir sind beide sehr von den strahlenden Farben und der Größe eines speziellen Bildes angetan. Doch für unser Schlafzimmer, wo noch ein großes Bild fehlen würde, ist es leider ungeeignet, da Szene und Farben so energiegeladen sind, dass wir darunter wohl kaum Ruhe fänden. Der Preis ist mit USD 2.000.- auch nicht ganz billig - lieber lassen wir das schöne Bild doch hier. Vielen Dank für die Erklärungen und auf Wiedersehen!
Zurück auf der Hauptstraße geht es weiter bergauf. Wir sehen viele Masken, Taschen und Gürtel, kombiniert Leder mit Webstoffen, bestickte Blusen und Hosen, usw. Bei einem Textillädchen werden Ute und Arne aus unserer Gruppe in traditionelles Gewand gehüllt und müssen natürlich fotografiert werden. Die Armen kommen unter den verschiedenen Schichten Baumwolle ganz schön ins Schwitzen.
Heiligenfiguren mit Tracht |
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Heiligenfiguren mit Tracht |
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Die Blusen der Frauen, Huipiles genannt, sind aus gestreiftem Webstoff. Der runde Kopfausschnitt ist mit einem Strahlenkranz verziert, denn der herausragende Kopf stellt die Sonne dar. Auf die Bluse sind Blumen, Vögel und andere Symbole gestickt. Sie erzählen die Geschichte der Trägerin, von ihren Erlebnissen, Hoffnungen und Träumen. Das Lesen dieser abgebildeten Lebensgeschichten ist jedoch den Trägerinnen selbst vorbehalten.
Unterhalb der Kirche am Berg befindet sich eine Schule, wo gerade Turnunterricht abgehalten wird. Das halbe Dorf sieht beim Basketball zu und feuert die Schüler:innen lautstark an. Oberhalb von Schule und Sportplatz befindet sich eine Kirche, die wir ebenfalls besuchen.
An den Wänden des Kirchenschiffs sind katholische Heilige aufgereiht, die man mit bunten Stoffen bekleidet hat. Es sieht fast wie Puppenkleidung aus. Je nachdem welcher Stoff gerade erhältlich ist und gefällt, werden Figuren eingekleidet. So kommt es z.B., dass einige der Apostel mit Geisha-Umhängen in blasstürkis und rosa umhüllt sind.
Wenn Heilige angebetet werden oder sogar geholfen haben, kann man das gleich an den kleinen Opfergaben erkennen, die vor ihnen aufgetürmt sind oder an den bunten Tüchern, die zum Dank an ihnen befestigt werden. Ganz nach Tradition des Maximon.
Santiago de Atitlan |
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Maximon oder auch San Simon ist eine Figur, die auf einem Stuhl unter dem Altar sitzt. Sie wurde als Trotzreaktion der Indigenas auf das Verbot ihren alten Glauben zu praktizieren erfunden und repräsentiert allerhand Gottheiten. Dementsprechend unterschiedlich sieht der Maximon auch aus - vom traditionell gekleideten Maya bis zum Dandy-Kaufmann gibt es alle Varianten.
Geopfert werden Maximon Alkohol, Zigaretten oder Zigarren und bunte Kerzen. Der Alkohol wird Maximon in seinen Mund geflößt, doch tropft er der Puppe natürlich übers Kinn. Findige Gläubige sind daher zu zwei weiteren Praktiken übergegangen.
Die erste ist für die Geschäftstüchtigen, denn dabei wird der Alkohol aufgefangen, abgefüllt und gleich wieder verkauft. Die zweite ist für die Genießer, dabei wird der Alkohol nämlich selbst getrunken und auch die Tabakwaren selbst geraucht. S'wär ja sonst Schade drum, gell?!
Wir verlassen die Kirche der bekleideten Heiligen und schlendern langsam wieder zurück die Straße bergab. Mal hierhin schauend, mal dorthin guckend ziehen uns manche der Geschäfte und Handwerksläden in ihren Bann und wir folgen den einladenden Rufen ins Innere.
Besonders bemerkenswert ist ein kleines Geschäft, das schier überzuquellen droht vor Tanzmasken, Puppen, kleinem Zierat und allerlei handgefertigten Gegenständen. Da hängen Jaguarmasken von der Decke und solche für die Danza del Torito.
In diesem Tanz des kleinen Stieres machen sich die Maya über die Spanier lustig, indem sie den kleinen Stier, der meist von einem Jungen getanzt wird, die lustigsten Possen reißen lassen. Es ist jedenfalls unglaublich, dass die Besitzerin des Ladens hier überhaupt noch etwas findet.
Unten bei der Anlegestelle angelangt, lassen wir uns auf ein Getränk vor einer Art Straßencafé nieder. Wir plaudern ein bisschen mit Peter und genießen die Atmosphäre. Uns gegenüber sitzt die Wirtin. Eine Maya, welche nach hier gängiger Mode ihre Schneidezähne mit Rahmen und Goldsternen verziert hat. Nachdem Peter für uns höflich angefragt hat zeigt sie uns ein schüchternes Lächeln und lässt sich mit ihrer goldenen Pracht fotografieren.
Santiago de Atitlan |
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Die Tochter der Wirtin kommt und will diverse Handarbeiten verkaufen. Wir erstehen zwei Dutzend handgemachte Sorgenpüppchen. Gebrauchsanleitung: Wenn man eine Sorge hat, sucht man sich aus dem Dutzend ein passendes Püppchen aus, dem man alles erzählt, sich so richtig den Kummer von der Seele redet.
Dann legt man das Püppchen weg und damit gleichzeitig auch die Sorge. Sehr effektiv und viel günstiger als eine Therapiestunde, denn 2 Dutzend haben nur 30 Quetzales gekostet (Kurs € 1.- = 11.- Quetzales), also so gut wie nichts für unsereins. Gestalttherapie á la Maya.
Nachdem sich alle wieder eingefunden haben, will noch jeder etwas trinken oder das Gegenteil ein paar Schritte den Berg hinauf. Danach geht es wieder mit dem Boot über den See, diesmal aber nicht nach Sta. Catarina Palopo sondern nach Panajachel. Die Stadt ist aus einer präkolumbianischen Siedlung der Cakchiquel-Maya entstanden und zählt heute zu den wichtigsten Handels- und Touristenzentrum hier am Atitlan-See.
Köstliches im Casablanca |
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Doch zuvor hören wir noch die Legende vom unglücklichen Prinzen, der seine Liebe, die bei einer Bootsfahrt auf dem See ums Leben kam, sucht und dabei das Wasser in Aufruhr versetzt. Oder ist es doch die Wasserfrau die am Grunde des Sees lebt und sich an den Nachmittagen unruhig hin und her wälzt während sie auf ihren Liebsten wartet?
Beide Geschichten beschreiben Xocomil, die Fallwinde, die hier nachmittags auftreten und gefährliche Wirbeln auf dem Wasser bilden. So manchem Surfer oder Schwimmer sind sie schon zum letzten Verhängnis geworden. Dann essen die Mayas tagelang keine Fische oder andere Seebewohner da sie denken, dass diese sich von den Leichen ernähren. Mahlzeit!
In Panajachel angekommen gibt es eine kurze Orientierung, sodass wir uns in diesem Städtchen schnell zurecht finden. Da sind die Banken, dort die Einkaufsmeile, hier die Bars und Restaurants.
Auf Peters Empfehlung kehren wir im netten Lokal Casablanca ein und essen wunderbar zu Mittag. Alexander bekommt mit Speck umwickelte Garnelen und Karin Schrimps in Avocado. Diese Früchte sind hier riesengroß und richtig reif.
Sie machen ihrem Spitznamen - Butterbrot, das auf Bäumen wächst - alle Ehre und lassen einen vergessen, was man zu Hause oft für traurige Dinger als Avocados kaufen kann. Dazu gibt es für jeden von uns eine Pina Colada in der ausgehöhlten Ananas mit einem ordentlichen Schuss allerbesten Rons. Lecker!
Hundertwasser Nachbildung in Panajachel |
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Wenn wir in Honduras sind, werden jedenfalls Zacapa Centenario, den weltbesten Rum, sowie die günstigere Alternative Flor de Cana verkosten. Alexander hat ersteren schon einmal in einem Gourmet-Restaurant in Wien als Digestif getrunken und schwärmt seither davon. Vielleicht ein Mitbringsel für unsere Bar zu Hause?
In der Bank gleich nebenan wechseln wir nach dem Essen ein paar USD auf Quetzales damit wir für Trinkwasser, Toiletten etc. bisschen Handgeld haben.
Danach folgt ein kollektiver Beschluss: jetzt fahren wir ins Hotel, etwas ausruhen oder ans Pool oder Reisebericht schreiben und am Abend gehen wir alle gemeinsam in ein nettes Restaurant in Panajachel zum Abendessen. Danach kann jeder noch herum strandeln und entweder fahren wir gemeinsam oder auch individuell wieder nach Hause. Gute Idee, einstimmig angenommen!
Wir verbringen ein paar geruhsame Stunden auf unserer Zimmerterrasse, um dann später frisch geduscht und umgezogen Panajachel unsicher zu machen. Zuerst besuchen wir eine kleine, urige Bar, in der uns der Besitzer gegebenenfalls ein Tuk-Tuk für die Heimreise organisieren kann. Bei Zacapa und Flor de Cana fängt der Abend schon gut an.
Anschließend gehen wir beide eine Runde durch die Shoppingmeile mit Standeln und Kunsthandwerksmärkten. Schön bunt ist es hier und recht belebt. Wir schauen und bummeln gerne, zum Kaufen haben wir jedoch keine Lust.
Da die anderen sich von ihren Getränken noch immer nicht lösen können, bilden wir beide mal die Vorhut in unserem Restaurant und lösen die Tischreservierung ein. Als wir mit laut knurrenden Mägen zumindest mit einer Vorspeise beginnen wollen, kommt der Rest unserer Reisegruppe dann doch. Bei Speis und Trank verbringen wir einen geselligen Abend, der für Elsbet, Wulf und uns beide mit einer Heimfahrt in Edgars Bus endet, während die anderen noch das Nachtleben genießen.
Für uns war der Tag wieder lange genug und voller neuer Eindrücke, sodass wir bald selig entschlummern. Gute Nacht, bis morgen.