Einen wunderschönen guten Morgen! Das Öffnen der Dachfensterjalousie zeigt, dass weder Regen noch Schnee auf dem Fenster liegt. Sehr gut, dann kann ja aus dem laut Wetterbericht angekündigten Sonnenschein noch was werden. Das wäre auch sehr fein, denn heute wollen wir einen Ausflug in die Prager Umgebung machen.
Auch heute gehört uns der Speisesaal wieder ganz alleine und der Frühstückskellner bringt uns schon unaufgefordert zwei Kännchen heißes Wasser und ein Kännchen Milch für unseren Tee. Der gute pikante Strudel von gestern wurde durch einen frischen Apfelstrudel ersetzt, dem sich Alexander widmet. Zwar ist er kontaminiert, aber wir haben ja Zeit, so dass in Ruhe alle Rosinen herausgekletzelt werden können.
Wieder am Zimmer werfen wir wie üblich noch einen Blick in den Reiseführer, bevor wir aufbrechen. Zum Glück! Es fällt uns nämlich jetzt erst auf, dass das von uns ursprünglich ausgesuchte Schloss Veltrusy in den Monaten Dezember bis März geschlossen hat. Hmpf! Also kurzer Hand umdisponiert: wir schauen uns die Burg Karlstein an.
Dank Navigationssystem sind wir mit dem Auto rund 45 Minuten später ohne Plan entziffern, Schilder suchen oder gar Verfahren am Ziel. Dazwischen liegen ein Stückchen Autobahn und Landstraßen, die uns durch eher unspektakuläre Gegend führen. Manche Häuser erinnern an Jahrhundertwendevillen. Die meisten davon haben eine Renovierung aber mehr als dringend nötig.
In Karlstein angekommen finden wir erst einmal einen riesenhaften, gebührenpflichtigen Parkplatz. Gut, stellen wir das Auto ab. Und jetzt? Wo ist nun die Burg? Der Reiseführer meint etwas von 40 Minuten Fußmarsch vom Bahnhof den Hang hinauf. Alexander will lieber eine Pferdekutsche mieten oder sich mit dem Taxi hinauf fahren lassen, aber Karin lockt unter Hinweis auf angeschriebenen Bankomat, den wir zwecks Bargeldbehebung brauchen und unliebsame Ergebnisse einer Woche böhmischer Küche auf den Weg hinauf.
Der stellt sich dann wirklich als gar nicht so schlimm heraus. Nur eisig kalter Wind weht hier! Von der laut Wetterbericht versprochenen Sonne keine Spur und wenn bereits Alexander einmal kalt ist ...
Den Weg zur Burg säumen lustige Standln mit viel Kitsch. Oben angekommen stoßen wir auf haufenweise Schulklassen, meist italienische, die auf eine Klassenführung oder ähnliches zu warten scheinen.
Arbeiten die Italienier an der Wiedererrichtung des römischen Reiches oder ist ganz Italien jetzt auf Schullandwoche in Tschechien? Beim Ticketkauf erfahren wir, dass die einzige deutsche Führung vom Tag erst in einer guten Stunde stattfindet.
Unser Wunsch nach einem Kaffee irgendwo im Warmen ist leider nicht erfüllbar, da hier heroben nur ein Wachsmuseum und diverser Souvenirkitsch zu finden sind, aber weit und breit kein offenes Café und auch kein Restaurant. So steigen wir also hierhin und dorthin, um dann schlussendlich 2 Capuccino beim kleinen Kiosk im Burghof zu kaufen. Er schmeckt erstaunlich gut und vor allem ist es schön warm für Hände und Hals.
Mit kurzer Verspätung beginnt endlich auch die deutsche Führung. Mit einer deutschen Schulklasse von ca. 16-jährigen Mädels und Buben klettern wir über die Treppe in den ersten Saal. Unsere Führerin ist auch nicht wesentlich älter und wegen „bemischem Singsang” leider nicht sehr gut verständlich, wenn man ihr nicht auf den Mund schauen kann.
Trotzdem ist die Führung interessant und die junge Dame hat die ihr gestellten Fragen - wir haben brav mitgearbeitet! - allesamt gut (und verständlich) beantwortet. Einige der Jungs machen deutlich, dass sie ihren Stimmbruch auch schon glücklich hinter sich gebracht haben, indem sie dauernd irgendwas brummeln. Sehr störend! Wenn schon nicht zuhören, dann wenigstens flüstern bitte.
Burg Karlstein/Karlstejn |
---|
Burg Karlstein/Karlstejn |
---|
Die Burg wurde 1348 von Karl IV. gegründet. Sie wurde als Schatzkammer der Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches (das, VOR den italienischen Schullandwochen) und der gewaltigen Reliquiensammlung Karls IV. angelegt. Bis die wichtigsten Mauern standen, vergingen zehn Jahre. Der Bau der Kapelle des Heiligen Kreuzes dauerte sogar bis 1365.
Leider können wir die Katharinenkapelle (Kapelle des heiligen Kreuzes) nicht besichtigen. Dies ist pro Stunde nur 15 Personen, nur in der Zeit von 1. Juni bis 31. Oktober und nur nach vorheriger Reservierung gestattet. Also 3 Nurs, welche wir leider alle 3 nicht erfüllen können. Schade, es wäre sicher sehr faszinierend gewesen, das vergoldete Gewölbe zusammen mit den 127 hölzernen Bildtafeln zu sehen.
Auch ohne Besichtigung der Katharinenkapelle erfahren jedoch viel Neues. Wusstest Du wofür Gläser im Mittelalter Nöppchen hatten? Damit die Damen und Herren trotz ihrer fettigen Finger (Besteck war ja noch nicht so verbreitet) das Glas Wein, Bier oder billigen Haustrunk gut in der Hand halten konnten. Oder wusstest Du warum Holzvertäfelungen und besonders Stoffvorhänge neben dem Bett sehr beliebt waren? Zur Isolation und Wärmedämmung!
Was ist sonst noch Erwähnenswertes in der Burg zu besichtigen? Es gibt einen Betschemmel, welcher vielleicht von Karl IV. selbst geschnitzt wurde, eine Replik der böhmischer Krone (das Original wird nur ganz selten der Öffentlichkeit präsentiert) und unterschiedlich große, längliche Löcher (Ausnehmungen) in den Bilderrahmen.
Diese waren früher mit ganz heiligen, ganz einzigartigen und vor allem ganz originalen Reliquien gefüllt. Nach einer Stunde ist die Führung vorbei und wir treten den Weg zurück ins Tal wieder an.
Das Gasthaus, an dem wir beim Hinuntermarschieren vorbei kommen, sieht von Außen nett aus und bietet tschechische Küche an (wir wollen wieder „Knedliky und Braten”) - da bleiben wir. Schön warm ist es hier, sogar ein kleines offenes Feuer lodert im Kamin. Wir wählen die beiden Spezialitäten des Hauses: „Königin Dagmars Rache” und „Kastellan-Schnitzel”. Leider entpuppt sich beides als nur naja.
Es muss wohl kürzlich ein großer LKW mit Dosenchampignons vorbeigekommen sein, denn es gibt in beiden Gerichten eine Unmenge Schwammerln. Alexander sortiert die Schwammerln aus, Karin das Fleisch. Ganze Schuschels machen eben Halbe-Halbe! Wir zahlen und wollen gleich wieder weg, lieber gönnen wir uns als Nachmittagsjause woanders etwas Gutes.
Eintritt Burg Karlstein: Kc 220.- (ca. € 8.50) pro Person
So, was machen wir nun mit dem angebrochenem Tag? Der Reiseführer meint Kutna Hora/Kuttenberg sei sehenswert. Es handelt sich um ein ehemaliges Silber- und Bergbaustädtchen mit Kloster, Dom und nettem Stadtkern. Und eine Stadt, welche 1995 in das UNESCO-Verzeichnis als Weltkulturerbe aufgenommen wurde, ist sicher sehenswert. Gut, das nehmen wir.
Unser Navigationssystem lotst uns wieder bestens ans Ziel. Leider ist das Kloster völlig eingerüstet und wahrscheinlich auch gar nicht zu besichtigen. Dafür hat der Dom St. Barbara geöffnet. Direkt davor (oder ist es hinter dem Dom?) finden wir einen gratis Parkplatz für uns. Nach dem Aussteigen treffen wir auf die ungewärmte Außentemperatur. Na bumm, da hat es einen Zapfen!
Auch im Dom ist es alles andere als wirklich warm. Am Eingang sitzen die 2 armen Aufpasser (Eintrittsgeld kassieren und das Fotografierverbot kontrollieren) und wärmen sich unter einem Heizschwammerl (alias Partystrahler) auf.
Dom der heiligen Barbara |
---|
Dom der heiligen Barbara |
---|
Bereits 1388 wurde im Stil der Gotik mit dem Dombau durch die Prager Hofbauhütte begonnen, die Bautätigkeit wurde jedoch mehrmals unterbrochen. Einmal waren die Hussitenkriege, dann wieder schnöder Geldmangel der Grund für zeitweisen Baustopp. Endgültig wurde das Gotteshaus erst um 1905 vollendet.
Ursprünglich hätte der Dom fast doppelt so groß werden sollen, doch mit Niedergang der Silberminen wurden auch die Dompläne immer wieder reduziert. Wir folgen dem kleinen Führer (beim Eingang erhalten) und durchschreiten eine fast touristenleere Kathedrale. Karin ist vor allem von den farbigen Jugendstilfenstern begeistert, Alexander hat es dafür die Brüstung mit kleiner Orgel angetan.
Eintritt Dom St. Barbara: Kc 30.- (ca. € 1.15) pro Person
Nun wollen wir uns der mittelalterlichen Silberbergbaustadt Kuttenberg und ihrer großen Vergangenheit näher widmen. Bereits im 13. Jahrhundert wurde hier Silber entdeckt und einige Zeit später die königliche Münzprägeanstalt gegründet. Die Stadt wurde berühmt dafür, dass hier die Prager Groschen Münzen hergestellt wurden. Da diese Münzen in weiten Teilen Europas als Zahlungsmittel benutzte wurden, stieg Kuttenberg zur zweitwichtigsten Stadt im gesamten Königreich Böhmen auf.
Wir spazieren in Richtung des Ortskerns und kommen gleich nach dem Dom an der Galerie vor dem Jesuitenkolleg vorbei. Die Galerie ist mit Darstellungen verschiedener Heiliger geschmückt und bietet einen tollen Vordergrund für das dahinter liegende, hübsche Städtchen. Weiter geht unser Weg über altes Kopfsteinpflaster (sieht sehr authentisch aus) zum Welschen Hof, der ehemals der Königsitz von Wenzel IV. war und sich zur zentralen Münzstätte des böhmischen Königreichs entwickelte.
Kuttenberg sieht nett aus, wenn auch einige Gebäuden ein (wenig) Renovierung vertragen würden. Leider ist uns so bitterkalt, dass unser Lust viel zu besichtigen zu etwas ganz Klitzekleinem verkommt. Also kurze Runde und wieder zurück zum wärmenden Auto. Aber wenn wir wieder einmal in der Nähe sind, besuchen wir Kuttenberg sicher ausführlicher.
Der Retourweg nach Prag verläuft unspektakulär. Dafür erleben wir in Prag ein kleines Abenteuer! Vor uns will ein LKW mit Anhänger in einen kurvigen Zubringer einbiegen. Leider ist der LKW aber so lang, dass er stecken bleibt und nur einen Teil der Kurve schafft. Also was tut er? Er schiebt zurück und hält dadurch den Verkehr auf fast der gesamte Stadtautobahn auf. Puh, schwitz, Angst! Aber alles geht gut aus und wir erreichen unbeschadet die Kleinseite.
Nur noch einmal bleiben wir kurz stehen und kaufen Proviant für unser Nachtmahl. Der wirklich letzte Halt vor dem Hotel ist die Überprüfung vor der amerikanischen Botschaft. Ganz routiniert und im Duett servicieren wir die beiden Wachesoldaten. Karin öffnet den Kofferraum und Alexander gleichzeitig die Motorhaube. Danke und weiter geht's. Bis morgen!