Frühstücken - nur wir 2 - direkt unter dem Dach |
---|
Guten Morgen, gut haben wir wieder geschlafen! Heute ist es etwas später als gestern und sicherlich werden wir das arme Küchenpersonal diesmal nicht mit dem Wunsch nach einem pünktlichen Frühstück schocken. Und so finden wir denn, als wir 45 Minuten später gewaschen, geschneuzt und gekampelt im gegenüberliegenden Trakt unterm Dach auftauchen, die Türe zum Speisesaal weit geöffnet. Auch der Kellner ist schon mit weißem Hemd und Fliege angetan und nicht wie gestern noch in Jeans und T-Shirt.
Das Frühstück ist gewohnt gut. Heute gibt es frischen pikanten Strudel mit Schinken, Käse und Paprika, der Karin in der zweiten Runde mundet. Gestärkt verlassen wir das Frühstücksbuffet und brechen zu unserer heutigen Erkundungstour auf - in die Neustadt.
Hu, heute hat es aber einen Zapfen! Und Graupelschauer kommen auch vom Himmel runter. Was soll das denn, wo doch heute Frühlingsbeginn ist? Na gleich eine Gelegenheit, unsere bisher noch recht wenig genutzten 7-Tage-Öffi-Tickets zu verwenden! Wir klettern also bei Malostranska in die U-Bahn und ... kommen nach einer Station drauf, dass wir in die falsche Richtung fahren. Wieder einmal! Vor 9 Jahren bei unserem ersten gemeinsamen Pragbesuch ist es uns damals auch so ergangen.
Karlsplatz - Neustädter Rathaus |
---|
Nachdem wir nun die richtige Richtung erwischt haben und einmal umgestiegen sind, kommen wir am Karlsplatz wieder an die Oberfläche. Aha! Es mag am Wetter liegen, aber zu Begeisterungsstürmen reißt uns das Gesehene vorläufig einmal noch nicht hin. Durch einen zugigen Park mit zaghaftem Grün, in dem die Hunde ganz ohne Sackerln ihre Notdurft hinterlassen und die Tauben ob der Kälte aufgeplustert zusammen kuscheln, marschieren wir auf das Neustädter Rathaus zu.
Das Gebäude ist hübsch anzusehen, kann aber nur von außen besichtigt werden. Es folgen einige Minuten Verwirrung, da wir unseren Standpunkt auf dem stilisierten Plan in unserem Reiseführer nicht genau ausmachen können. Wurscht, gehen wir einfach drauf los, es fängt nämlich schon wieder zu schneien an. Dieser lustige Neuschnee, der wie kleine Styroporkügelchen aussieht, wird vom Wind über das Straßenpflaster vor uns her getrieben.
Im Gehen fällt uns die eine oder andere schöne Fassade am Karlsplatz auf, der Niederschlag hält die Anzahl der Fotos jedoch recht in Grenzen.
Bei der Metrostation biegen wir kurzerhand rechts ab und landen gleich darauf vor der Kirche St. Kyrill und St. Methodios. Eine Gedenktafel und die Einschusslöcher erinnern an den Angriff auf Kirche und Aufspüren von tschechischen Widerstandkämpfern durch Deutsche.
Die Attentäter - sie hatten zuvor einen Anschlag auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich verübt - hatten sich in der Krypta versteckt. Als sie entdeckt wurden und die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannten, nahmen sie sich allesamt das Leben.
Die Barockkirche wurde ursprünglich 1730 errichtet und diente als Altersheim für in die Jahre gekommene Priester. 1930 wurde die Kirche von den orthodoxen Christen restauriert und St. Kyrill und St. Methodios geweiht. Der Hauptaltar mit seinen dunklen Farben und dem Gold hat auch etwas von Ikonenmalerei - ebenso sind die Teppiche im Kirchenschiff ungewöhnlich.
Leider ist die Kirche abgesperrt sodass wir uns damit begnügen müssen, uns die Nasen an der Glasfront platt zu drücken. Nachdem das Gotteshaus eher klein ist, haben wir uns nach wenigen Minuten satt gesehen und gehen weiter zum Jungmann-Platz.
Adria Palast |
---|
Auf dem Weg dorthin sehen wir wieder das „taillierte Haus”, das schon bei Anfahrt bemerkt haben. Es handelt sich um das Gebäude „Ginger und Fred”, welches der amerikanische Architekt Frank Gehry entworfen hat und das Büros einer Baufirma sowie ein Restaurant namens „La Perle de Prag” beherbergt.
Einheimische nennen das Gebäude auch „Tanzhaus” oder gar „Eistüte” woran man schon die durchaus geteilte Meinung der Prager:innen zu diesem architektonischen Statement im Stil des Dekonstruktivismus entnehmen kann.
Am Jungmann-Platz finden wir einige hübsche Häuser im Jugendstil, teilweise bereits mit kubistischen Elementen versetzt, vor. Alexander hat es ein rundes Tor mit einem Mädchengesicht angetan, während Karin vom Adria-Palast mit seinen eher kubistischen Figuren angezogen wird. Pavel Janak entwarf diesen Bau für das Versicherungsunternehmen Adria, wodurch auch der Name entstanden ist. Heute ist hier das 4-Sterne-Hotel Adria untergebracht.
Gleich ums Eck finden wir Maria Schnee. Die hübsche gotische Kirche mit dem hohen Barockaltar ist steinernes Zeugnis dafür, was Karl IV. eigentlich hier vor hatte. Anlässlich seiner Krönung 1347 ließ er mit dem Bau der Kirche beginnen, deren Name auf ein Marienwunder zurückgeht, das sich angeblich im 4. Jahrhundert im Rom ereignet hat. Da erschien Maria dem Papst im Traum und hieß ihn eine Kirche errichten, wo im August der Schnee fällt.
Maria Schnee, die Kirche die eigentlich über 100 Meter lang sein sollte, wurde niemals fertig gestellt. Was wir heute sehen ist lediglich der Chorraum, denn die Hussitenkriege verhinderten, dass mehr als der Kirchturm dazukommen sollte. Die Kirche gehörte anfänglich zu einem Karmeliterkloster und wurde 1603 nach schweren Zerstörungen von den Franziskanern wieder aufgebaut.
Eine Zeit lang haben wir die Kirche mit dem erstaunlichen Netzgewölbe ganz für uns alleine und genießen, dass der Eintritt frei und das Fotografiern erlaubt ist. Auch das kommt uns vor wie ein Marienwunder! Doch dann bricht eine italienische Schulklasse in die fromme Stille herein und wir verlassen den nun gar nicht mehr friedlichen Ort.
Über die Narodni, vorbei am Nationaltheater, schlendern wir wieder zum Altstädter Ring. Das Wetter ist wirklich nicht das allerbeste und Karin jammert über Kälte und ein wenig Hunger. Die großen Korbsessel mit den kuscheligen, kunterbunten Kissen, die das Hotel „U Prince” in den Schanigarten gestellt hat, sehen recht gemütlich aus.
Schirme gibt es auch, welche die vereinzelten Schneeflocken abhalten und Heizschwammerln sind gegen die Kälte aufgestellt. Herz was willst Du mehr? Wir versinken in 2 solcher Sessel direkt unter einer Heizung und stecken unsere Nasen in die mehrsprachige und bebilderte Speisekarte. Eigentlich sollte man ja Speisebuch zu diesem Kompendium kulinarischen Angebotes sagen.
Während wir genüßlich unsere Heißgetränke schlürfen und den Kuchen dazu essen, beobachten den Trubel am Platz. Sehr angenehm im Warmen und gleichzeitig doch im Freien zu sitzen und wie Statler und Waldorf hinter Reiseführer und Kaffeehäferl hervor die vorbeiziehenden Passanten zu kommentieren.
Beim Meeting Point vor dem Rathaus fällt uns ein Mann auf, der eine Schild mit der Aufschrift „The Experienced Guide” über seinen Kopf hält. Handschuhe trägt er keine und das Hochhalten ist auch anstrengend, sodass er teils zum Aufwärmen, teils zur Entspannung immer einen Arm sinken läßt und die Hand in die Hosentasche schiebt. Gute 30 Minuten geht das so - wir bewundern die Ausdauer. Passanten und Touristen gehen an ihm vorbei, aber keiner will seine Experience. Arm, aber so ist das Leben! Wir zahlen und setzen unsere Besichtigungstour fort.
Wir klettern in die Straßenbahn und fahren wieder zum Karlsplatz - eigentlich steigen wir ein bisschen zu früh aus, da wir uns mit den Stationen nicht ganz sicher sind - und gehen das restliche Stück Weg zu Fuß zum Dvorak-Museum.
Dieses befindet sich im klitzekleinen Palais-Michna. Wir sind erstaunt. Was war denn das früher mal? Als Gartenpavillion ist das Gebäude mit seinen 2 Stockwerkchen zu groß, zum Wohnen aber zu klein - und Sanitärräume fehlen außerdem.
Die Ausstellung besteht aus Fotos, persönlichen Gegenstände und einigen Original-Partituren, welche auf besagte 2 Stockwerkchen verteilt sind. In allen Räumen - einige von ihnen sind mit bunten Deckenfresken geschmückt - spielt des Komponisten Musik und vermittelt eine heiter-beschwingte Atmosphäre.
Wir drehen noch eine Runde durch das Gärtchen, wundern uns auch hier über die klitzekleinen Ausmaße und sind wieder dahin. Zuvor müssen wir natürlich noch die rumkrabelnden Putten ablichten, welche die steinernen Jardinieren zieren.
Bergauf gehend sehen wir plötzlich einen interessanten Ziegelbau! Ein Foto hier, zwei Fotos da - was ist das für ein Gebäudeomplex? Alexander ist wieder einmal mutig und tritt einfach durch eines der Tore ein.
Ahja, wir sind in der gynäkologischen Abteilung eines größeren Krankenhauses gelandet. Gleich im Eingangsbereich, vis-a-vis der Portierloge, welche durch eine völlig uninteressierte Krankenhausbedienstete besetzt ist, können die frisch gebackenen Väter Blumen für ihre Liebsten kaufen. Der Stand wirbt mit einer grell blinkenden Lichterkette.
Wir machen einen kleinen Rundgang - wieder ist Alexander mutiger Pfadfinder und öffnet diverse Türen - und finden uns in einem Innenhof wieder. Er ist bis auf ein paar arme Nikotinsüchtige, welche dem Wetter und der Kälte trotzen, völlig ausgestorben. Sonst gibt es nichts Interessantes hier zu sehen, also verlassen wir das Krankenhaus wieder.
Prag bei Nacht |
---|
Was jetzt? Unser Plan verrät uns, dass wir nicht weit vom Vyserhad entfernt sind. Auf diesem Hügel wurde in der ersten Hälfte des 10. Jahrhundert die zweite Burg der Premysliden gegründet.
Eng ist der Burgwall daher auch mit Libussa, jener mythologischen Stammesmutter verwoben, die einst in einer Vision die Stadt Prag gesehen hat. Ein Fels in der Moldau unterhalb der Burg wird daher auch „Bad der Libussa” genannt. Na das hört sich romantisch an und außerdem geht es hier bergab also marschieren wir los.
„Wahrscheinlich ist hier eine Uni in der Nähe” schließen wir aufgrund der ganz vielen jungen Leute, die unseren Weg kreuzen. Ausrangierte Militarybags vollgestopft mit Büchern, die unvermeidlichen Jeans und auch die eine oder andere quer über den Rücken getragene Guitarre scheinen uns Indizien für wandelndes Studentenleben.
Am Ende der Straße halten wir uns links und sehen schon nach kurzer Zeit rechter Hand den alten Bahnhof Vysehrad. Na, dieses Gebäude hat die besten Zeiten auch schon länger hinter sich! Überhaupt nennt die gesamte Gegend hier einen sehr schäbigen Charme ihr eigen. Es fängt wieder zu schneien an und unsere Lust auf einen Spaziergang am Vysehrad oder gar ein Bad auf Libussas Felsen sinkt auf Null. Wir klettern in eine Bim - ah, mit Heizung, herrlich! - und fahren retour zu Malostranska. Vielleicht hat ja das Palais Waldstein doch offen?
Leider! Der freundliche Wachebeamte erklärt uns, dass man das Palais nur samstags und sonntags besichtigen kann, sonst ist das Palais dem tschechischen Senat vorbehalten und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Aber im April ist auch der wunderschöne Garten geöffnet. Ja fein, jetzt ist aber Mittwoch - und es ist März.
Also so recht will das mit den Besichtigungsobjekten unserer Begierde im Augenblick wohl nichts werden. Alexander hat eine gute Idee: „Lass uns ein spätes Mittagessen nehmen, dann ein bisschen schlafen und am Abend machen wir einen Foto-Spaziergang durchs nächtliche Prag.” Karin ist begeistert - das machen wir!
Prag bei Nacht |
---|
An der nächsten Ecke sehen wir ein Gasthausschild mit dem authentisch klingendem Namen „U Schnellu” und treten ein. Es handelt sich um ein tschechisches Beisl ein bisschen Zinnbecher-Romantik, verrauchtem Gewölbe und studentischer Bedienung. Die Speisekarte ist zweisprachig (tschechisch und englisch) und wir suchen uns gebratene Ente mit Knödel und Rotkraut sowie Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut aus und bestellen dunkles Bier dazu.
Weil wir uns nicht so recht entscheiden können, tauschen wir nach der Hälfte die Speisen, sodass jeder von jedem bekommt. Das Essen ist OK, reißt uns aber nicht zu einem Hohelied hin. Die Ente ist ein bisserl gar trocken, dafür könnte die Portion Schweinsbraten ruhig eine erwachsene sein. Aber das Bier schmeckt hervorragend und teuer war's auch nicht.
Maria unter der Kette bekommt am Heimweg noch eine letzte Chance. Leider wieder abgesperrt - das war's, vorbei! Wir kaufen noch Sandwiches für unser Abendessen und einen Kuchen für den süßen Zahn ein und landen schließlich in unserem Hotel. Nach Tee und Kuchen gehen wir erst einmal 2 Stunden schlafen.
Prag bei Nacht |
---|
Erfrischt und ausgeruht wachen wir nach unserem Nachmittagsschläfchen auf. Ordentlich warm anziehen, Kameras einpacken und schon geht es los in die Dunkelheit, die bereits eingebrochen ist.
Unser Abendspaziergang führt uns über die Karlsbrücke zum Altstädter Ring und wieder retour auf die Kleinseite. Es ist wärmer jetzt und trocken, was uns sehr entgegen kommt. Das nächtliches Prag wunderschön und romantisch. Kleine Plätze sind in das warme Licht von Straßenlaternen getaucht, da und dort blitzt eine goldene Verzierung an einer Hausfassade auf. Denkmäler und Gebäude sind von Scheinwerfen angestrahlt und treten aus der Dunkelheit hervor, alles wirkt ein bisschen gedämpft. Wir können uns gar nicht satt sehen und schießen viele, viele Fotos von der verzauberten Stadt.
Wieder zurück im Hotel schreiben wir noch Stichworte für unseren Reisebericht, sehen ein bisschen Fern und genießen es, heute nicht ganz so tot ins Bett zu fallen. Trotzdem schlafen wir auch diesmal bald ein - gute Nacht!