Keizersgracht Hausboot |
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Fotos tw. vom Vortag, denn da schien die Sonne noch! |
Der Wecker bimmelt und wir drehen uns genüsslich noch einmal um. Das bekannte Sprücherl „ein bissi noch” endet dann ebenfalls bekannt, nämlich mit einem etwas verwunderten Augenaufschlag rund eine Stunde später. Auch egal! Wir haben gut geschlafen und sind auf Urlaub. Nichts hetzt uns hier.
Obwohl wir heute doch deutlich später als gestern beim Frühstück erscheinen, ist außer uns nur noch ein anderes Paar anwesend - und das ist bald fertig. Das Essen schmeckt uns auch an diesem Morgen wieder gut und während wir schmausen beratschlagen wir, was wir heute unternehmen wollen.
Das gestern wegen der fortgeschrittenen Nachmittagsstunde ausgelassene Rembrandthuis wollen wir sehen, den Lieben Herren am Dachboden, die Neue Kirche und das Reijksmuseum auch. Falls wir zufällig irgendwo ein Damenmodengeschäft sehen, das so nette Sachen führt wie Alexander sie gestern in dem Geschäft gekauft hat, dann bekommt Karin auch noch einen Sweater. Gut also, fad wird uns auch heute sicherlich nicht werden!
Als wir das Haus verlassen gießt es in Strömen. So haben wir das aber nicht gebucht!
Oudeschans |
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Mit dem 2er fahren wir in die Stadt bis zum Koningsplein. Dort steigen wir aus und gehen durch den Heiligeweg zur Kalverstraat. Ja was ist denn das? Da ist doch glatt ein Laden mit Rugby- & Navy-Mode für Damen und für Herren. Den müssen wir uns merken! Ah und bei Kipling ist Sales und ein Tie Rack Shop gibt's auch gleich ums Eck. Na, da wird heute noch eine kleine Einkaufstour fällig.
Alexander schlägt vor, dem in unserem Amsterdamführer beschriebenen Weg zu folgen und über Rozenboomsteeg, Kalverstraat und Rokin zum Dam zu schlendern. Wir können dann die Nieuwe Kerk besuchen, die „schon” um 10:00 aufsperrt.
Angenehm ruhig ist es, denn die Geschäfte haben alle noch geschlossen. So haben wir Zeit, die Nieuwe Zijde in Ruhe für uns zu erkunden. Ein Großteil der Bauten aus dem Mittelalter wurde zerstört, doch gibt es trotzdem viele alte Häuser. Vom 15. bis zum 20. Jahrhundert reicht die Zeitspanne, aus welcher die Gebäude stammen, die wir auf unserem Spaziergang zu sehen bekommen.
Die Gassen sind schmal und verlaufen entlang alter Deiche oder Fußwege. Die berühmte, mittlerweile zur Shoppingmeile mutierte Kalverstraat, verdankt ihren Namen dem Viehmarkt (Kälberstraße), welcher im 15. Jahrhundert hier abgehalten wurde.
Damrak Beurs van Berlage |
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Dam, koninklijk Paleis |
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Karin muss 2 Gänge langsamer gehen und einen Umweg zur Börse machen wir auch noch, denn sonst sind wir viiiiiel zu früh und stehen vor verschlossener Türe. Wie sich später herausstellt passiert uns das ohnehin, da die Kirche den ganzen Juli geschlossen hat. Das haben wir im Reiseführer glatt überlesen.
Wir stellen fest, dass „Unser Lieber Herrgott auf dem Speicher” gar nicht weit weg ist und beschließen, dort als nächstes unser Glück zu versuchen.
An der Oude Kerk, der Alten Kirche, geht es vorbei, die von einem kleinen Platz mit alten Häusern und viel Atmosphäre umschlossen ist. Mitten im Rotlichtviertel gelegen, hat sich die Kirche ihr mittelalterliches Aussehen bewahrt. Ihre eigentliche Bestimmung, die eines Gotteshauses, hat die Kirche jedoch schon lange verloren - und das liegt nicht an dem sie umgebenden Rotlichtviertel.
Ca. 1250 wurde dieses Gotteshaus errichtet und St. Nikolas geweiht. Erst als um 1400 in der Nähe des Dam eine zweite Kirche gebaut wurde, wurde ihr Name umgangssprachlich zu Alte Kirche. Zur Zeit der Reformation wurden leider sämtliche Dekorationen entfernt und das Gotteshaus als Markthalle verwendet. Heute ist die Kirche ein multikulturelles Veranstaltungszentrum, das gemietet werden kann.
Lange Zeit tagten die „Kommissare für eheliche Angelegenheiten” hier in der Sakristei der Oude Kerk. Ihnen musste man sich samt Trauzeugen vorstellen, wenn man vor hatte, sich zu verloben bzw. den Bund der Ehe einzugehen. Von der roten Sakristeitüre rührt die holländische Phrase „dir rote Tür durchschreiten” für sich verloben her und über jener besagten Tür steht ein Sprichwort geschrieben: „Heirat mit Eile bereut man mit Weile”.
Auch der berühmte Maler Rembrandt van Rejn hat hier mit seiner Saskia die rote Tür durchschritten. Nach ihrem Tod fand Rembrandts Frau in der Weitkopers-Kapelle der Alten Kirche ihre letzte Ruhestätte.
Augenscheinlich hat es hier auch gestern irgendeine Veranstaltung gegeben, denn durch die Türen werden Lautsprecher und Bestuhlung herausgetragen und drinnen sieht es ein wenig chaotisch aus. Auch will man heute keinen Eintritt, der allerdings in unserer I amsterdam-Card ohnehin inkludiert gewesen wäre.
Wir sehen uns ein bisschen um, bewundern Orgeln, Holzdecke und Buntglasfenster. Von den Orgeln gibt es gleich 3: die alte, die kleine und die Kabinett-Orgel. Die Reste einer Ausstellung über Burma verstellen uns jedoch die Sicht auf Details und so gehen wir bald wieder.
Draußen auf dem mittelalterlichen Oudekerskplein sehen wir ein weiteres Kuriosum: eine in das Straßenpflaster eingelassene Bronze, welche 2 nackte Brüste und eine Hand darauf zeigt. Die Verbindung zum umliegenden Rotlichtmilieu ist unverkennbar.
In einer Nacht und Nebel-Aktion hat ein anonymer Amsterdamer Künstler diese Plastik hier angebracht. Er tat dies in den letzten 15 Jahren an verschiedenen Orten der Stadt und schenkte Amsterdam seine überraschenden Skulpturen aus Bronze und Eisen. So findet man die Werke des anonymen Künstlers unter anderem auch auf dem Marnixplantsoen, in der Halle des Rathauses und auf dem Ten Katemarkt.
Wir verlassen den stimmungsvollen Kirchplatz in Richtung Voorburgwal. Hier schmiegt sich ein winziges Häuschen an die Kirche, davor eine Art Klostergärtchen mit Blumen und Kräutern - idyllisch!
Gleich links daneben ist nun die Speicherkirche, eines unsere heutigen Tagesziele. Unser Lieber Herr musste sich auf dem Dachboden verstecken, weil nach der Reformation alles protestantisch und das Abhalten katholischer Messen nicht erlaubt war. Im Verborgenen wurden katholische Versammlungen jedoch zumeist geduldet.
Im Falle der Speicherkirche, dem heutigen Museum Amstelkring wurden 3 Häuser zusammengeschlossen, die einstmals einem wohlhabenden Kaufmann namens Hartmann gehörten. Über viele Treppen, besucht man kleine Zimmer, in welchen die Familie einst gewohnt hat, Vorräume und Gänge, den restaurierten, prunkvollen Salon, welcher einen Eindruck des eleganten, klassizistischen Wohnstils der Niederlande des 17. Jahrhunderts vermittelt, und eine Küche, um schließlich unter dem Dach in einer erstaunlich großen und ehrwürdigen Kirche zu stehen.
Amstelkring Kirche |
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Ab 1663 wohnte ständig ein Kaplan hier im Haus, dessen Kastenbett unter der Treppe versteckt und ebenfalls zu besichtigen ist. Im Jahr 1735 musste die Geheimkirche vergrößert werden, da sie der wachsenden Gemeinde der Katholiken nicht mehr genug Raum bieten konnte. Bis zur Einweihung der St. Nicolaaskerk nahe dem alten Hafen im Jahre 1887, diente „Het Hart” (nach dem Kaufmann Hartmann, heißt übersetzt aber auch das Herz) als katholisches Gotteshaus.
Neben dem schon erwähnten eleganten Salon sind besonders das Altarbild „Die Taufe Christi” von Jacob de Wit sowie eine ausziehbare Kanzel am Altar sehenswert. Wir sind von unserem Besuch hier sehr beeindruckt.
Anschließend geht es durch das Rotlichtviertel in Richtung Rembrandthuis. Tagsüber ist es hier nicht ganz so spektakulär wie in den Abendstunden. Die Damen sehen nicht mehr ganz taufrisch aus. Entweder sind sie müde von den Strapazen der letzten Nacht oder es handelt sich um die zweite Besetzung.
Fast alle Erwerbstätigen sind Farbige und gefielen wohl Rubens ausnehmend gut - sie sind allesamt ziemlich üppig. Jedenfalls sind die kleinen Kabäuschen und einschlägigen Geschäfte hier witzig und der Umgang mit dem ältesten Gewerbe der Welt ist viel offener als bei uns zu Hause.
Rembrandthuis |
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Am Rembrandthuis angelangt sperren wir unsere Regenjacken und Fotorucksäcke in ein Schließfach und gehen auf Erkundungstour. In diesem Haus geht es ebenfalls treppauf, treppab, diesmal aber mit Audio guide bewaffnet. 1639 zog Rembrandt mit seiner Frau Saskia in das Haus im Judenviertel. Die Wände der Zimmer sind über und über mit Gemälden bedeckt, teils selbst gemalt, teils nur zum Verkauf, da Rembrandt von Beruf ja Kunsthändler war.
In der Küche finden wir 3 Frauen und auch einen Mann, die klöppeln und diese Kunst auch erklären. Sie bedarf viel an Zeit - an so einem Deckerl wird rund 1½ Monate gearbeitet - und noch mehr Geduld. Eine kleine Weile sehen wir bewundernd zu, selbst probieren möchten wir aber lieber nicht.
Wir kommen ins Atelier mit Farbpulvern und Schweinsblasen in denen Farbreste, aufbewahrt wurden. Das Zimmer wurde nach einem Gemälde des Künstlers rekonstruiert. Die Fenster wurden entsprechend abgedeckt und selbst die Staffelei so platziert wie auf dem Bild zu sehen ist.
Weiters sehen wir eine „Hexenküche” mit Utensilien wie Kupferplatten, Säurebäder und Walzenpresse für Radierungen. Karin hat in einem Hobbykurs auch schon einmal Radierungen hergestellt und bekommt gleich wieder Lust, sich selbst künstlerisch zu betätigen.
Ein Zimmer ist voll mit einem faszinierenden Sammelsurium an Gegenständen, die der Künstler zum Abmalen benutzte. Damit er auf Gemälden naturgetreu Darstellungen wiedergeben konnte, benutzte er die Dinge aus seiner Sammlung. Hier herrscht ein interessantes Durcheinander an Büsten, Muscheln, Waffen, präparierten Tieren und was man sich so alles vorstellen kann.
In mehreren Zimmern gibt es Betten in Alkoven, die uns sehr kurz vorkommen. Dies ist auch wirklich der Fall, da zur damaligen Zeit im Sitzen geschlafen wurde. Noch wenig aufgeklärt über die Zusammenhänge im eigenen Körper hat man geglaubt, dass im Liegen zu viel Blut in den Kopf steigt und man daran stirbt. Aus Angst vor dem Tod also nahm man diese sehr unbequeme Ruhestellung in Kauf. Wir sind sehr froh, dass wir unseren Schlaf voll ausgestreckt im Liegen genießen können.
Nach dem interessanten Besuch des Rembrandthuis machen wir uns jetzt auf die Suche nach geeignetem Lokal für unser Mittagessen. Wir werden nicht gleich fündig und betreten schließlich ein Einkaufszentrum. Der Food Court im Keller sagt uns gar nicht zu, aber ein Lift lockt uns ganz hinauf auf einen Turm aus Stahlkonstruktion. Dort oben finden wir ein Lokal mit toller Aussicht über Amsterdams Dächer.
Alexander bestellt sich einen Hamburger und Karin Quiche Lorraine. Beides schmeckt ganz ok, doch die Kulisse tröstet uns locker über das eine oder andere geschmackliche Defizit hinweg. Als wir mit der Nahrungsaufnahme fertig sind, beschließen wir nun in den morgens gesehenen Geschäften einkaufen zu gehen.
Bei Steppin' Out erstehen wir einen gestreiften Marine Blazer und einen Navy Rock sowie ein wunderbar weiches Rugby shirt für Karin. Während des Probierens stöbert auch Alexander im Laden und findet für sich ein Polo und ebenfalls ein Rugby shirt.
Die Sachen sind von guter Qualität und preislich ok, da auch hier gerade Schlussverkauf ist. Bei der Kassa nehmen wir dann beide noch einen hübschen bunten Schal mit, der in seinen Farben an nautische Flaggen erinnert. Karin ist ohnehin die meiste Zeit kühl und so wickelt sie ihn auch gleich um den Hals.
Rijksmuseum |
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Rijksmuseum |
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Mit der Bim fahren wir jetzt zum Rijksmuseum, um uns die Meisterwerke anzusehen. Bei der kostenlosen Garderobe geben wir unsere diversen Sackerln, die Rucksäcke und die Jacken ab, damit wir die Kunst freihändig genießen können. 1½ Stunden wandern wir von Bild zu Bild, diesmal allerdings ohne Audio guide. Wir haben uns entschlossen, bei den Gemälden, welche uns besonders interessieren, einfach nachzulesen.
Zu den Höhepunkten zählt selbstverständlich „Die Nachtwache” von Rembrandt, zu der auch eine ausführliche Erklärung mit Hinweisen auf viele Details, die der Laie leicht übersehen könnte, aufliegen. Auch Vermeers „Küchenmagd” ist besonders bemerkenswert und wir von uns lange betrachtet.
Witzig ist das Bild „Winterlandschaft mit Eisläufern” von Hendrik Avercamp. Der humorige Künstler hat nicht nur sozialkritisch Arm und Reich aufeinander treffen lassen, indem er Höflinge in diese eher bäuerliche Szene setzte, sondern auch Herrschaften bei der Verrichtung ihrer Notdurft festgehalten. Fällt einem auch nicht gleich auf.
Nach 90 Minuten Kunst sind wir nun rechtschaffen müde. Bei der Garderobe, wo wir unsere sieben Sachen wieder holen wollen, ist eine japanische Reisegruppe vor uns. Wenn wir dachten, wir hätten aufgrund unserer Einkäufe viel dabei, dann wurden wir jetzt eines besseren belehrt!
Rijksmuseum |
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Den Museumsshops - es gibt einen innen und auch einen außen - statten wir auch noch einen Besuch ab, der sich aber leider recht enttäuschend erweist. Weder sehen wir besonders schöne Kunstdrucke, noch andere uns ansprechende Gimmicks mit Motiven der Meisterwerke. Na, muss ja nicht sein.
Der 2er bringt uns nach Hause in unser Hotel. Beim Heimweg haben wir noch großes Glück gehabt, denn kaum sind wir am Zimmer, geht draußen ein schrecklicher Regenguss nieder. Fein, dass wir es noch trockenen Fußes geschafft haben.
Nach Fotos bearbeiten, etwas für den Reisebericht schreiben und vor allem, nachdem der Regen wieder etwas nachgelassen hat, wollen wir in der Nähe des Hotels Abendessen gehen. Wir lassen uns von der Rezeption ein Thai-Restaurant empfehlen, borgen uns einen großen Schirm aus und marschieren los.
Das Restaurant ist nett und das Essen sehr gut. Lustig ist der Wirt, ein Amsterdamer mit einer recht trockenen Art. Aus Karins gewünschtem Dry Martini als Aperitif wird kurzerhand ein picksüßer Martini Bianco und der grüne Tee zum Essen ist ein Sackerl von Lipton. Zuvor wird aber 3 Mal gefragt, ob man das wirklich will. Alexanders Bier hingegen macht keinerlei Probleme.
Zurück im Hotel fallen wir satt und zufrieden gleich in Tiefschlaf. Nicht vergessen, dass wir morgen neue I amsterdam-Cards kaufen wollen und natürlich viele weitere Sehenswürdigkeiten anschauen. Bis dann!