„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein …” heißt es schon im Evangelium und da der Wiener ein gläubiger Mensch ist, nimmt er sich diese Worte auch zu Herzen. Zwar vielleicht nicht ganz so, wie's ursprünglich gemeint war, dafür aber unverdrossen! Eines der Grundnahrungsmittel der wiener Bevölkerung - vor allem dann, wenn's schnell gehen muss - ist die Wurst oder eigentlich das Würstel.
Was dem Türken sein Döner, dem Franzosen sein Baguette, dem New Yorker sein Hot Dog, das ist dem Wiener „sei Haße”. Selbige wird neben rund zwanzig anderen Sorten beim klassischen Würstelstand angeboten, den man an jedem zweiten Eck findet. Rund 300 solcher „Nahversorger” gibt es in Wien, natürlich in unterschiedlicher Qualität und mit verschiedenem Publikum.
Zu den Standardsorten, die ein ordentlicher Würstelstand führt, gehört einmal die besagte Haße, auch genannt Burenwurst, Burenhäutl, welche im Original gekocht ist und nicht gegrillt. Klobasse ist das Gleiche und wenn sie nicht abgepasst sondern quasi endlos ist, dann heißt sie Meterwurst. Meterwurst bestellt man übrigens nach Gewicht und zwar in Deka, was einer Einheit von 10 Gramm entspricht. Weiters die Käsekrainer zu der wegen der zartschmelzenden Käseeinschlüsse auch Eitrige gesagt wird.
Frankfurter - ja, die, welche die Frankfurter Wiener nennen - sind ebenfalls ein Muss im Sortiment. Die paprizierten, scharfen Debreziner leuchten ebenfalls in jedem Würstelstand in fröhlichem Orangerot aus dem Kessel. Meist gibt's dann noch Bratwurst, die etwas dünnere Grillwurst, Waldviertler, die vom Räuchern eine ganz schwarze Haut hat und nicht zu vergessen der Leberkäs.
Bei letzterem ist der Gigerer, der Pferdeleberkäse eine besondere Delikatesse und wird von vielen wegen seines leicht süßlichen Geschmacks bevorzugt. Mittlerweile hat aber auch schon der Putenleberkäs für die Figurbewußten Einzug gehalten. Käse-, Chili- oder pikanter Leberkäs runden das Angebot dann ab. Beim Würstelstand wird auch der Leberkäs klassischer Weise in Deka bestellt, die Leberkässemmel ist eher beim Fleischhauer gebräuchlich.
Zur Wurst gehören auch Beilagen. Das kann entweder eine Semmel oder Brot sein. Beim Brot handelt es sich meistens um ein einfaches G'staubtes, Vollkornbrot oder andere fantasievolle Gebäcksorten bekommt man beim Bäcker aber nicht beim Wüstelstand. Wenn man Glück hat, gibt's einen Buckel, ein Scherzerl, das für viele zu einem besonders wünschenswertem Brotstück zählt. Sollte man ein Hot Dog gewählt haben, so bekommt man das selbstverständlich im dazu passenden Weckerl.
Ganz essenziell sind Ketchup, Mayonnaise oder Sauce Tartar (selten), eventuell Kren (Meerrettich) und - der Senf! Die Frage aller Fragen lautet: „Süß oder scharf?” und ist fast so individuell wie die Wahl des Parfums. Besondere Feinschmecker mögen auch zum Zwiebelsenf greifen, wenn sie nachher nicht unbedingt die Verabredung ihres Lebens haben.
Damit man auch ein bisserl Gemüse beim Menü hat, kann man zwischen Essiggurkerln, eingelegten Perlzwieberln, milden, langen oder wirklich scharfen, kurzen Ölpfefferoni wählen. Eine besondere Kunst ist der Verzehr von Salzgurken. Will man beim ersten Biss in die saftige Köstlichkeit nicht den Passanten auf der gegenüberliegenden Straßenseite ins linke Auge treffen so empfiehlt es sich unbedingt, die Salzgurke zumindest einmal durchschneiden zu lassen und beim Abbeißen zur eigenen G'wandschonung die Safthaltung einzunehmen.
Sollte bei den geneigten Lesern Unklarheit über die Safthaltung herrschen so sei erwähnt, dass sich diese durch ein weites Vorbeugen des Oberkörpers auszeichnet, sodass etwaig aus der Nahrung austretende Flüssigkeit über das Kinn abgeleitet direkt auf den Gehsteig anstelle die eigene Kleidung tröpfeln kann.
Das traditionelle Getränk zur Haßen ist die Hülsen, die Flasche Bier. Fahrzeuglenker greifen aber natürlich lieber zu Antialkoholika, von denen es so ziemlich alles gibt, was die Getränkeindustrie so bietet. Wer's gerne echt österreichisch mag, wählt einen Almdudler, eine Kräuterlimonade in durchsichtiger Glasflasche mit einem Trachtenpärchen drauf. Wer noch Platz für eine Nachspeise hat, verzehrt abschließend entweder ein Packerl Mannerschnitten, Auer Baumstämme oder ein Pischinger Eck.
Leiblich rundherum aufs Beste versorgt, wenden wir uns nun den Tischnachbarn zu.
Ein wirklich guter Würstelstand zeichnet sich durch ausgezeichnete Ware, freundliches Personal mit wiener Schmäh, Öffnungzeiten quasi rund um die Uhr und nicht zuletzt möglichst heterogene Gäste aus. Es ist sehr wünschenswert, wenn spätabends Besucher:innen in edlen Roben aus der Oper kommen und ihre Würsteln gleich neben dem Zeitungskolporteur verspeisen, der gerade eine Pause macht. Zwischen Leberkäs und Gurkerln hat sich schon so manches Gespräch entwickelt, das große gesellschaftliche Unterschiede für eine kleine Weile überbrückt hat.
Für uns zählt der Stand am Hohen Markt im 1. Bezirk zu jenen, wo rundherum alles passt - Essen, Bedienung und Tischnachbarn. Mit unserer Meinung sind wir nicht alleine, da auch die österreichische Dokumentarfilmerin Elisabeth T. Spira eine ihrer Milieustudien aus der Reihe „Alltagsgeschichten” hier drehte. Von kleinen Sorgen und großen Träumen ...
So sollte man beim Würstelstand nicht nur essen, sondern auch die Leute beobachten und ein wenig plaudern!
Weitere Fotos von Wiener Würstelständen findest Du in unserem Fotoalbum .
andrea (E-Mail-Adresse bekannt) |
Super Seite, tolle Fotos. Weiter so!!!!!!! Liebe Grüsse aus fernen Landen von einer Wien vermissenden Wienerin :-) |
Martina (E-Mail-Adresse bekannt) |
also, das wirklich allerbeste Würstlstandl in Wien ist das Mariahilfer-Wurststadl in der Mariahilferstr. Ecke Neubaugasse. Leider ist dieses erst ab 18:oo Uhr bis 05:00 offen, aber definitiv allerbeste Bedienung, köstlichste Wurst und interessanteste Gäste (quer durch den Gemüsegarten) |
Walter (E-Mail-Adresse bekannt) |
Hallo, ich bin zwar nicht ganz aus Wien sondern aus St. Pölten und suche Dringeng einen Würstelstand oder einen Fleischer der noch die Originale Meterwurst Verkauft und eventuell auch versendet.
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